Die Leidenschaft flieht, doch selbst muss man bleiben. Die Schönheit verblühet vom Eilen und Treiben. Der Mann geht hinaus ins quirlende Leben Darf wirken und streben will pflanzen und schaffen. Doch listig erraffen? Dazu will ich sagen und kräftig beklagen: Erlistete und auch geraffete Gabe, die bringt keinen Segen und glückliche Habe. Es wächst dann das Unglück im eigenen Haus! Da drinnen da waltet unglücklich die Frau. Im häuslichen Kreise Wird selten man weise, verrät seine Mädchen und stärkt nur die Knaben. Brauch tausende Hände und das bis zum Ende. Sein ist der Gewinn! Wo bleibt da der Sinn? Man schmeißt ganz alleine den häuslichen Laden und bürstet dem Ehherrn vom Anzug den Faden und liegt viel zu früh im hölzernen Schreine, durch zu viel Geburten und Kinderlein kleine. und hat von dem Leben gar keinen Schimmer, Dann ruht man für immer!
Lied von der Glocke (Schiller) Vers 5 , Zeile 15-31)
Die Leidenschaft flieht, Die Liebe muß bleiben: Die Blume verblüht, Die Frucht muß treiben. Der Mann muß hinaus In's feindliche Leben, Muß wirken und streben, Und pflanzen und schaffen, Erlisten, erraffen, Muß wetten und wagen, Das Glück zu erjagen. Da strömet herbei die unendliche Gabe, Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe, Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus. Und drinnen waltet Die züchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder, Und herrschet weise Im häuslichen Kreise, Und lehret die Mädchen, Und wehret den Knaben, Und reget ohn' Ende Die fleißigen Hände, Und mehrt den Gewinn Mit ordnendem Sinn, Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden, Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden, Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein Die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein, Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer, Und ruhet nimmer.
da hast du ja im schillerschen Sprachgestus die "züchtige Hausfrau" aufs Korn genommen. Sehr gut gemacht und natürlich hast du Recht, wenn du dieses Rollenbild attackierst.
Ich möchte inhaltlich etwas anmerken. Gerade Schiller hatte ein ganz anderes Frauenbild, was man leicht an den Figuren seiner Dramen erkennt: Luise Millerin, nach der er Kabale und Liebe ursprünglich benannte, Elisabeth in Don Carlos, Johanna von Orleans, Elisabeth und Maria von Stuart, Gräfin Terzky in Wallenstein etc. Auch das Bild von Schillers Ehefrau ist (durch den Einfluss ihrer Schwester) zu Unrecht in Richtung der züchtige Hausfrau geschoben worden. Im Lied von der Glocke malt Schiller eine Idylle, die den Zeitgeist aufgreift und heute natürlich schwer nachvollziehbar ist.
Deswegen ist deine Antwort auf Schillers Gedicht passend. Das war einmal fällig.
ich gebe Dir 100% recht, denn ich hatte selbst ein etwas schlechtes Gewissen! Ich bin selbst Schiller-Fan (deshalb habe ich mich auch bei seinen Versen bedient) und weiß, dass Schiller selbst ein sehr positives und progressiveres Frauenbild hat. Aber selbst seine engsten Freunde haben diese Passage schon aufs Korn genommen und ihre Antworten dazu gedichtet. Es hat mich einfach gereizt, dasselbe zu machen. Also ich bitte hier den verehrten Schiller und auch Dich um Vergebung und bitte meine Verse einfach als Lust am Widerspruch zu verstehen.
also ich finde du brauchst dich garnicht zu entschuldigen. Deine Worte hätten dem schillernsten aller Dichter gefallen, besonders wenn er bis in unsere Tage hineingelebt und den Wandel des Frauenbildes erfahren hätte. Der letzte Vers, darauf arbeitest du ja schon drei Verse vorher zielstrebig hin, kommt nicht mehr überraschend, was Meiner Meinung nach aber super wäre - nur so eine Idee.
wenn schon soooo dicht, dann aber auch perfekt ! Mir ist zuerst das unsägliche ‚man’ aufgefallen; es steht zwar nur zwei Mal drin, aber auch das reicht. Drüber hinaus mag ich das ‚schmeißt’ nicht, es reißt aus deiner sprachlich meist guten Umsetzung der Schillerverse unangenehm heraus.
Ein paar Verse liegen daneben: Vom Eilen und Treiben. xXxxXx (Schiller: Die Frucht muß treiben. xXxXx) Erlistete und auch geraffete Gabe xXxxxXxXxx (Schiller: Da strömet herbei die unendliche Gabe, xXxxXxxXxxXx) Wird selten man weise! xXxxXx (Schiller: Und herrschet weise xXxXx)
Mir gefällt deine Gegendarstellung gut. Es ist kaum zu glauben, dass die, wenn auch in vielen Bereichen noch geringe, positive Entwicklung in vielen Frauenhirnen noch immer nicht angekommen ist. Küche, Kirche, Kinder als gottgegeben hinzunehmen, sollte allmählich der Vergangenheit angehören.
ich habe gerade noch mal mit Friedrich telefoniert, er findet dein Antwortgedicht völlig ok. Es wäre nicht vergleichbar mit den dämlichen Parodien auf sein Gedicht "Würde der Frauen". Damals hätten einige sich progressiv gebende Dichterkollegen noch nicht verkraften können, dass die Frau dem Mann überlegen sei, und das auch noch auf dem Gebiet der Dichtung! Er freue sich, dass das in Deutschland heute anders sei und wünsche dem Musengarten fruchtbares gedeihen.
Den Worten des Meisters habe ich nichts hinzuzufügen.
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