So fliege im Traum, fliege zur lichten Weide empor, wo am Himmelstor der Seele Speise grünt und blüht; schwing dich hinauf, mein Wagen, fahre himmelan, von Rossen getragen; im Zwiegespann geflügelter Pferde, erhebe dich von der Erde! Mein Schimmel von edlem Geblüt, folgt mit feurigem Ehrgeiz jeglichem Wink; doch der faule Rappe, er zieht nur kreuz und quer, ist wütend und link und folgt der Peitsche kaum. Ach, diese schwierige Paarung! Wie mühsam folge ich der Spur, welche des Schimmels gute Natur mir fast von selber weist. Doch mein Wagen stockt und holpert, weil der plumpe Rappe stolpert, schlägt und beißt. Bricht die Deichsel ab, stürzen wir alle hinab; mit gebrochenen Flügeln liegen dann meine Pferde beide, und nie und nimmer fliegen wir zur Weide himmlischer Seelennahrung.
P.S.: Aus Platons Dialog PHAIDON (Übersetzung von Rudolf Kassner)
Zuerst aber müssen wir uns über die göttliche und menschliche Natur der Seele selbst und ihr Wirken und Leiden klar werden. Und ich beginne also:
Die Seele ist unsterblich. Denn alles ewig Bewegte ist unsterblich...
Da wir nun das Unsterbliche als das aus sich selbst Bewegte erkannt haben, so dürfen wir ohne Scheu darin auch das Wesen und den Begriff der Seele sehen. Denn jeder Körper ist seelenlos, so er von außen bewegt wird, und nur was von innen, aus sich selbst die Bewegung hat, das ist beseelt...
Jetzt will ich vom Sinn und von der Gestalt der Seele reden. Wie die Seele wirklich ist, das ist lang, und nur ein Göttermund könnte es rein aussprechen. Ihr Gleichnis ist kürzer, und wir Menschen dürfen es sagen. Und so will auch ich von der Seele im Gleichnis reden. Es gleicht die Seele einem Gespanne geflügelter Pferde mit einem Wagenlenker; Gespann und Wagenlenker seien ein Gebilde. Die Pferde und Wagenlenker der Götterseelen sind alle edel und aus edler Zucht. Die Pferde und Wagenlenker der anderen Seelen sind unterschiedlich: der Wagenlenker führt hier ein Zweigespann, und von seinen beiden Pferden ist das eine schön und fromm und aus edler Zucht, und das andere garstig und böse und aus gemeiner Zucht. Und darum ist es hier so schwer und ein so großer Verdruss, die Zügel zu halten. Das ist das Gleichnis...
Das Pferd edler Zucht ist schön gebaut, ein Schimmel mit hohem Hals und ausgebogenen Nüstern und ganz dunklen Augen; es ist voll Feuer und Ehrgeiz, aber noch nicht ohne Maß und Scheu; das fromme Pferd folgt gerne dem wahren Ruhme und braucht nicht die Peitsche, es fügt sich dem Wink und bloßen Worten. Das böse Pferd hingegen lahmt und ist plump und ganz ohne Rasse, ein hartköpfiger und kurzhalsiger Rappe mit aufgeworfenen, stumpfen Nüstern und grauen, blutunterlaufenen Augen. Und er ist frech, dieser Rappe, geil und verlogen, um die Ohren zottig und taub und kaum mit der Stachelpeitsche zu bändigen...
Hier muß ich gleich versuchen zu sagen, warum wir Menschen sterbliche und die Götter unsterbliche Geschöpfe heißen. In jeder Seele lebt die Sorge um alles Unbeseelte, und die Seele jagt über den ganzen Himmel hin und wechselt die Gestalten. So die Seele vollkommen und geflügelt ist, trägt sie der Äther, und die Seele waltet über der Welt. Aber andere Seelen verlieren die Flügel und treiben dann hin, bis sie auf ein Starres stoßen; und hier im irdischen Leibe baut sich diese Seele ihr Haus, und das ganze Gebilde von Körper und Seele, das nur durch die Kraft der Seele sich selbst bewegt, heißt ein sterbliches Geschöpf...
Wisse: es sind der Seele die Flügel gewachsen, damit sie das Schwere zum Himmel emporhebe dorthin, wo das Geschlecht der seligen Götter wohnt. Denn nur fliegend, nur im Fluge haben wir Anteil am Göttlichen. Alles Göttliche ist schön und weise und gut; vom Schönen und Weisen und Guten nähren sich und an diesem wachsen die Flügel der Seelen, am Hässlichen und Bösen welken sie und fallen ab... Wenn die Seelen zum Male wollen, dann führt sie der Weg ganz steil hinauf bis zu den Gewölben des Himmels. Die Gespanne der Götter - sie sind stets im Gleichgewicht und leicht lenkbar - gleiten ihn eilend empor, die anderen aber nehmen die Bahn nur mit großer Mühe. Denn das Pferd aus der gemeinen Zucht ist dann überlegen und reißt und drückt den Wagen zurück zur Erde, wenn es vom Wagenlenker nicht abgerichtet worden war, und da hat nun die Seele ihre äußerste Not und den schwersten Kampf... Und wo die Lenker nichts taugen, dort lahmen die Pferde, und viele Seelen brechen ihre Flügel...
Du fragst: warum wollen doch alle Seelen mit so großem Fleiße die Gefilde der Wahrheit sehen? So höre: Dort auf jenen lichten Flächen wächst die Weide des edelsten Teiles der Seele, und auf dieser Wiese finden die Flügel, welche die Seele beschwingen, ihr Futter...
Lieber Thomas, Dein Seelengespann erinnert mich spontan auch an Schillers "Pegasus im Joche". DOrt wird der verkaufte Pegasus zunächst mit Ackergäulen eingespannt, später gar mit einem Ochsen, doch Apoll persönlich entführt ihn. Bei Dir ist es die Paarung zweier gegensätzlicher Tiere, das eine Pferd eignet sich eigentlich für Höhenflüge, das andere ist plump und faul. Ein funktionierendes Gespann ergeben sie nicht und am Ende landen sie mit gebrochenen Flügeln im Abgrund.
Mir war Dein Gedicht eine Seelenweide, danke Karlheinz
mir gefällt Dein Seelengespann, denn es ist wie es ist. Nicht immer passen sie zusammen und manchmal gibt es auch eine Bruchlandung, wie im richtigen Leben. Einzig zu überdenken wäre: Bricht die Deichsel ab, stürzen wir alle hinab; mit gebrochenen Flügeln liegen dann meine Pferdebeide, und nie und nimmer fliegen wir zur Weide himmlischer Seelennahrung.
Dieses "beide" ist für mich überflüssig und allein dem Reim geschuldet. Bei diese Gedichtform ist es aber nicht nötig. Denn Du kannst ja mit den Reimen spielen.
erst habe ich mich gefragt, wovon schreibt er? Dann habe ich die alte Sage gelesen und konnte Dir gut folgen. Das Gedicht hat einen sehr schönen Klang und lässt einen dazu noch über eigene Seelenpferde sinnieren. Es stimmt, ich habe auch so einen störrischen Gaul im Gespann und muss dauernd auf der hut sein, dass er nicht ausbricht. Eine wunderbare Methapher! Diese Verse können bereichern.
das unterschiedliche Gespann seine Probleme und Folgen hast Du gut aufgezeigt. Die Darstellung ist poetisch und klangvoll mit einer Aussage die sich mit vielfachen ähnlichen Gegebenheiten vergleichen lässt. Insgesamt ist Dir mit dieser Aussage ein technisch gutes Gedicht gelungen. Gefällt mir sehr gut.
Lieber Carlino, eine interessante Idee, wahrscheinlich kannte Schiller die Stelle aus Platon.
Liebe Ilona, ich empfinde das mit dem "beide" eigentlich nicht so, aber ich denke mal darüber nach, vielleciht fällt mir ja noch etwas besseres ein.
Liebe Heidi, ja, die Metapher hat es mir angetan, und da ich auch so zwei geflügelte Pferdchen haben und zusätzlich Pferde überhaupt mag, war es mir eine große Freude.
Lieber Ralf, ein Rappe und ein Schimmel wohnen, ach, in deiner Brust? Schöne Metaphern für das Sanfte und das Unbeherrschte. Sprachlich kugelrund, bildgewaltig und wunderbar zu lesen - feine Sache . Was die "beiden" Pferde betrifft, so würde ich nix ändern, auch wenns überflüssig ist. Es passt zur etwas angegrauten Sprache. Mit großer Bewunderung gelesen! Herzliche Grüße, Heliane.
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