Mit fünf wusste ich nicht was der Tod ist und doch wusste ich dass jedes Leben wichtig ist und rettete Marienkäfer mit gebrochenen Flügeln nur um zwei Stunden später sie zertrampelt wieder zu finden. bald fand ich den Täter: mein zweiter Ehemann der mich vorgestern mit einem Weingummiring zur Ehefrau nahm. Mein eifersüchtiger Ehegatte ging andere Wege und auch wenn ich heute zu sagen pflege was ich mit 5 auch schon wusste, dass kein Leben des Todes würdig ist, dachte ich mit elf, dass ich des Essens nicht würdig bin.
In meinem Kopf ein Paradox dass - würd ich nicht essen würd mir das Essen zustehen ich glaubte zu verstehen was die Gesellschaft haben will eingestampft und eingedrillt wenn ich auf Zehenspitzen stehend Modemagazine las. Doch die las ich nicht mit elf. ich war in meiner eigenen Welt, meine Gedanken von etwas anderem verschlungen, geschmeckt, geleckt, zerkaut Verdaut und wieder ausgespuckt bis dass nur noch übrig blieb: Mahlzeit.
Ich würde morgens aufwachen - Nein am Abend davor schon ans Frühstück denken, versinken in Sehnsucht und Vorfreude, denn heute! Heute was alles geplant, ausgedacht und ausgemacht, in Portionen geteilt und zurechtgeschnitten, abgezählt, abgewogen, genauestens gemessen um gegessen zu werden.
Ich dachte immer ans Essen davor, danach und währenddessen es war eine Obsession die mein Leben aufspeiste es war nur Essen und alles entgleiste am Anfang so leise dass keiner der Passagiere etwas zu bemerken schien.
Essen war das höchste Gut, und doch aß ich fast gar nichts, denn ich war nicht gut genug.
Und vor allem: ich hatte keinen Hunger um ehrlich zu sein, ich wusste nicht was das war ich maß das Frühstück nicht an Bauchgefühlen, sondern an Zahlen, Ziffern, Nummern, Kalorienangaben, Zucker, Fett und Kohlenhydraten.
Auch war ich niemals satt. Ich war vielleicht platt, kaputt, müde, am Ende meiner Kräfte und einmal wollten mein Atmen und meine Beine mich nicht mehr tragen. Ich kann's ihnen nicht übelnehmen, es blieb nicht mehr viel außer Knochen und Haut - ich kann's ihnen nicht übelnehmen, dass ich einmal, ängstlich zusammengekaut auf einer Krankenwagentrage dann doch getragen wurde.
Ich glaube man denkt dass Magersüchtige depressiv sind Oke ich war 11, da kennt man dieses Wort nicht, Aber mir ging es nicht schlecht, dacht ich. Ich wälzte mich in Freude wenn ich essen durfte und krümmte mich bis dass man alle meine Wirbel abzählen konnte wenn ich auf die Waage stieg - vor Glück. Jedes der vielen Male am Tag dass jemand fragt ob ich krank sei, ob ich nicht zu dünn sei, ob ich nicht was essen wolle, auch wenn mich das kränken sollte, gab es kein größeres Kompliment, kein schöneres Statement als der Blick und Kommentar auf meine Knochen unter Haut.
Ich nähte meine Kleider enger und zeigte meinen Bauch, meine Beine, der Hauch von Wade der noch da war, meine Arme wuchsen länger und ich versteckte meine Knochen nicht. ich liebte es.
Aber ich liebte mich nicht. Vielleicht, wenn ich noch dünner wäre würden aus Seen Meere von Menschen die sagten, du bist toll eine sinnvoll übersetzte Version von du bist zu dünn.
Und wenn ich gerne aß - denn was ich aß hatte ich mir mit Hungern verdient- aß ich lieber alleine. Zu Hause aßen wir aber selten alleine. Mama kochte Papa aß nicht Papa macht Diät Nein, Papa fastet Bruder isst nur Brot mit Butter Mama ist beleidigt Papa sagt das Essen sei zu fettig Mama fragt ob er meint sie sei zu dick Papa sagt sie solle Sport machen Mama fragt warum ich nichts esse Papa sagt ich verstehe was er meint Mama wirft Essen weg Mama schreit Papa schreit Bruder schreit Und ich renne in mein Zimmer und esse Zwieback.
Dann war dünn sein irgendwann nicht mehr schön, Manchmal aß ich mehr, als ich mir erlaubte und glaubte die Welt würde untergehen unter dem Fett das sich zusammen staute irgendwo zwischen Rippe sechs und sieben. Als mein Körper strebte eine Frau zu werden als das wenige Fett an mir Brüste und Hintern werden wollte, wollte ich nicht hinsehen als ich sehen sollte dass ich nicht mehr meine beiden Fäuste durch das Loch meiner Oberschenkel stecken konnte wenn ich meine Knie geschlossen hielt.
Ich weinte zu viel und schloss mich ein, ließ niemand rein ich stand immer vor dem Spiegel und fiel von tief zu hoch und wieder zurück ich sang vor Glück nicht Essen zu müssen weinte, mich sehen zu müssen liebte meinen Bauch und hasste ihn zur selben Zeit beides mit unerschütterlicher Kraft und Leidenschaft begab ich mich in Ekstase und Selbsthass, - Ekstase man fragte sich wo in diesem Gerippe diese Wut Platz haben konnte, diese Wut gegen mich, also heulte ich und freute mich über meinen Körper als er fast nicht mehr als das zu bezeichnen war.
Als man doch die Tür öffnete brachte man mich zu Menschen die mich maßen und Daten lasen mich wogen und Notizen machten Und ich musste alleine warten während meine Eltern im Büro des Arztes saßen.
Und dann brachten sie mich zu einer Ärztin die nicht meine Blutwerte las oder in meine Krankenakte blicken wollte, sondern mit mir redete und meinte dass man mich wegschicken sollte wenn ich nicht aß. also aß ich. Ich war fast eins sechzig groß und wog 34 Kilogramm aber nahm dann meinen ersten Kilo wieder zu.
Liebe Clara, erschütternd! Mehr weiß ich nicht zu sagen. Gut, dass es Menschen gibt, die hilfreich sind und gute Wege finden. Herzliche Grüße, Heliane.
Zeile für Zeile ziehen mich Deine Worte in eine Welt, die ich nur von außen betrachten kann, jedoch auch beruflich reagieren musste. Ursachen gibt es viele, oft kommen weitere Störungen wie Depressionen und Borderline hinzu.
Ich habe Dein Gedicht mit Interesse gelesen, was ich jedoch verändern würde: Das Einzige was Du positiv nach außen trägst ist die letzte Zeile. Wenn ich davon ausgehe, dass Deine Worte eine Selbstreflexion darstellt, dann bringe einen positiven Aspekt für andere Betroffene mit hinein. Das ist sehr wichtig!
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