Sinnverwirrend, disharmonisch
tönts aus dem Orchestergraben.
Chaos herrscht und peinigt Ohren,
alle Instrumente haben
jeden Ordnungssinn verloren.

Befrackt und frisch geföhnt, verfolgt von tausend Blicken,
betritt der Dirigent applausumwogt die Bühne,
Und schon wirds still im dunklen Saal; mit ernster Miene
bestraft der Maestro Hüsteln, Räuspern, Stühlerücken,
dem Chor und ersten Geiger gilt sein kurzes Nicken.
Das Stück heut Abend heißt: Die neue Melusine.

Paukenschlag und Hörnerklänge, sieghaft laut Trompeten schmettern,
Zimbeln klingen, Geigen singen, großer Auftritt jetzt des Chors!
Der Taktstock fliegt, er flieht davon, liegt nun zwischen Bühnenbrettern.
Musikekstase! Alle warten auf das Solo des Tenors:
Ansatzlos sein hoher Ton, Sopran im Arm, die Augen glutig,
betört mit Liebesschwur er seinen Schatz, sehr imposant und mutig!

Ach, du schöne Melusine, meiner Augen holder Stern,
rastlos ritt ich hundert Meilen, scheute weder Müh noch Not,
wehrte Räubern, querte Flüsse, überwand sogar den Tod.
Steh jetzt unter deinem Fenster, bist so nah und doch so fern,
ich schenk den Granatapfel dir, bitte zähle die Kerne inmitten.
Einen Kuss! Für jedes Kernchen! Mehr möchte ich nicht erbitten!

Der alte Graf, er hört alsbald das nächtge Flehen,
er greift zum Degen, flucht mit Basses Urgewalt.
Die Mutter, Mezzo, will den fremden Freier sehen -
erfreut entdeckt Mama des Jünglings Wohlgestalt;
der Bariton versöhnlich tönt: Nun lasst die Schwester gehen!
Man singt Quintett und einig sind sich alle bald.

Wie gut, dass den Stab des Maestro die Requisiteurin bald scharfäugig fand!
Nun jauchzen die Geigen gen Himmel mit lieblicher, reizender Tönung,
die Harfen, sie klingen fröhlich in sphärischem, lichtem Gewand.
Die Protagonisten des Abends begießen mit Schampus die große Versöhnung.

Melusine hat den Knaben,
der Edelmann bekommt zum Schluss
für jedes Kernchen seinen Kuss.
Alle Opernfreunde haben
die Premiere sehr genossen.
Was noch geschieht?
Der Vorhang ist geschlossen.

Lieber Hayk,

furios und mitreißend, gefällt mir sehr gut!

Ein herzliches Willkommen auch von mir!

Grüße aus der hessischen Provinz
Karlheinz

Hallo Carlino,
ich danke herzlich für Dein Willkommen,
für Grüße aus der hessischen Provinz
und für Deinen Kommentar!

Liebe Grüße,
Hayk

Lieber Hayk,
ich schließe mich dem dicken Lob vom Karlheinz sehr gerne an. Ganz besonders gefällt mir die erste Strophe, die anderen sind natürlich auch bestens, aber beim 'verlorengegangenen Ordnungssinn der Instrumente' musste ich sofort schmunzeln.
Sehr kurzweilige, heitere Lektüre!
Herzliche Grüße,
Heliane.

Liebe Heliane,
jetzt bekomme ich langsam rote Ohren.
Bevor eine Nachfrage kommt: Eine Oper mit dem Titel (den ich bei Goethe geklaut habe) "Die neue Melusine" gibt es nicht. Aber wer Opernliebhaber ist, der kennt das chaotische Instrumentenstimmen vor dem Beginn der Ouvertüre.
Danke für Dein Lob!
Liebe Grüße,
Hayk

lieber Hayk
zuerst einmal ein herzliches Willkommen hier im Musengarten.
Ich bin begeistert von Deinem Werk. Als ich auf den Text sah wollte ich mich schon verdrücken wegen der Länge. Aber nach der ersten Strophe mußte ich einfach weiter der Handlung folgen.
Es hat sich gelohnt und ich kann Dir nur ein aufrichtiges Kompliment machen.
Der Vorhang ist erst gefallen nach dem ich Deinen Text genossen habe.
herzliche Grüße Ilona

Liebe Ostseemöwe Ilona,
herzlichen Dank für deine Willkommensgrüße!
Ich weiß, dass die Länge eines Gedichts viele davon abhält es zu Ende zu lesen. Schöne, dass Du weiter gelesen hast und noch schöner, ist es, dass Du mir ein solches Kompliment machst. (Im Vertrauen: Die schönsten Gedichte, die ich kenne, z.B. das Hohelied Salomos, den Kampf mit dem Drachen von Schiller, Rilkes "Orpheus. Euridyke. Hermes", ganz zu schweigen von meinem Lieblingsdichter Goethe, haben alle eine beachtliche Länge und Homers Odyssee - o Gott, da braucht man langen Arem)
Liebe Grüße,
Hayk

Lieber Hayk,
Du kannst mit Deinem feurigen Operngedicht regelrecht mitreißen. Ich habe es mit großem Vergnügen gelesen. Weiter so!
Mit liebem Gruß und Paukenschlag,
Heidi

Liebe Klatschmohn,
tausend Dank für Dein Lob!
Wenn es mir gelungen ist, Dich mitzureißen - vielleicht schaff ich es auch bei anderen.
Und Du spielst Pauke? Eine reizvolle Vorstellung!
Liebe Grüße,
Hayk

Lieber Thomas,
ich hoffe, Du hältst mich nicht für größenwahnsinnig. Nicht im Traum käme ich auf die Idee, mich oder meine Gedichte mit den Großmeistern der Dichtkunst, meine Werklein mit den (wie Du richtig sagst) zitierten genialen Werken zu vergleichen. Es ging lediglich um die Länge von Gedichten (und da bin ich auch noch meilenweit von den Beispielen entfernt.
Du schreibst: "Ich fühle mich lediglich unterhalten."
Die größte Sünde wäre doch, wenn die Reaktion auf mein Gedicht Langeweile wäre.
Zu unterhalten ist schon ein Riesenkompliment für mich.
Metaphern als Stil- und Gestaltungsmittel möchte ich nicht auf Gedichte beschränken (nein, tust Du auch nicht) und ich bin mir sicher, dass Du mit Deiner Meinung durchaus mehrheitsfähig bist. Nun kann man Metaphern (Beispiele muss ich Dir nicht nennen) auf einzelne Begriffe oder Satzfiguren beschränken.
Nimm, das wäre ein Vorschlag von mir, den Titel "Liebe ..." als Prolog für ein "Gleichnis" für eine verbrämte Schilderung erster Verliebtheit und auf die darauf folgenden Abläufe:
Zu Beginn: Chaos der Gefühle - Ordnung perdu, dann "Vorspiel": Versammeln der seelischen Kräfte, Beachtung gesellschaftlicher Konventionen. Es folgt: Rambazamba, Konventionen - zum Teufel, Verwirrspiele, der "Dirigentenstab ist futsch. Es folgt die Liebeserklärung (reichlich kitschig) - schau
Dir mal Liebeserklärungen an - die kann man nur ertragen, wenn man selbst verliebt ist. Die Hindernisse werden beseitigt oder lösen sich in Wohlgefallen auf und alle sind sich einig, schauen mit Wohlgefallen auf das verliebte Paar. Was folgt, ist Harmonie, die Hormone treten ihre Vorherrschaft an ein geregeltes Verhalten ab. Zum Schluss: Friede, Freude, Eierkuchen. Wie es im Einzelfall weiter geht - keine Ahnung: Der Vorhang ist geschlossen.
" Ich kann keine Zeile schreiben, ohne mich zu fragen, wenn auch unterschwellig, ob ich die heilige Pflicht eines Dichters erfülle: die Pflicht zu unterhalten und zu informieren, aber auch zu erheben." Das schrieb John le Carré in einem Beitrag unter dem Titel "Goethe ginge heute auf die Barrikaden" in der Frankfurter Allgemeinen. (Die fettgesetzten Wörter habe ich hervorgehoben.
Die Frage bleibt: Beinhaltet mein Geschreibsel auch Informationen (ein bisschen schon - falls man kein Opernliebhaber ist), "erhebe" ich den Leser?
Wenn ein fröhliches Grinsen als Erhebung aus dem grauen Alltag gilt, bin ich auf einem guten Weg.
Danke für Deinen Kommentar und
liebe Grüße,
Hayk

Lieber Thomas,
nun denn: Auf eine fruchtbare Gedichte-Arbeit!
Schönes Wochenende!
Hayk

Lieber Hayk, herrlich deine Persiflage auf ein Orchester samt Maestro. Ich sehe den Dirigentenstab durch die Luft fliegen und höre das anhaltende und kaum unterdrückbare Kichern aus dem Puplikum. Was für ein schönes Bild, dem dann noch viele weitere Augenzwinkernde Akte folgen. Da bereitet jede Zeile Freude beim Lesen. Und wenn am Ende alles wieder gut ist, um so besser.
Über rote Ohren solltest du dich nicht beunruhigen, das ist keine lebensbedrohliche Krankheit.

LG Heike

Liebe Heike,
ach, ist das schön zu erfahren, dass mein mit Augenzwinkern verfasster Opernbesuch ein paar schöne Bilder vermittelt!
Liebe Grüße,
Hayk