Es ist nicht Liebe

Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt,
ich spüre nur ein brennendes Verlangen,
dich anzusehen, ohne dich zu stören,
sonst weiter nichts, nur schauen, nur genießen.
Vielleicht ein wenig träumend dich umschweben,
doch ganz für mich und ohne Leidenschaft.

Zwar ist dein ganzes Wesen zauberhaft,
doch ist's nicht Liebe, die mich zu dir treibt.
Ich bin vergnügt, kann ich dir etwas geben
und dann ein Lächeln nur zum Dank empfangen;
ich lasse mich auch nicht davon verdrießen,
wenn andere dir ihre Liebe schwören.

Sie sagen mir, du würdest mich betören
und schon seit langem hättest du's geschafft,
mein Herz mit Amors Pfeilen aufzuspießen.
Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt,
Es ist ein vages Hoffen oder Bangen,
Gefühle die sich ineinander weben.

Gefühle die mich tragen und erheben,
die, in sich ruhend, meine Ruhe stören,
von denen einstmals großen Dichter sangen;
sie geben mir und nehmen alle Kraft.
Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt!
Denn meine Liebe würde dich verdrießen.

Ich weiß im Herzen sorgsam zu verschließen,
was wichtig ist als Kleinod aufzuheben.
Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt!
Schon der Gedanke sollte mich empören!
Er wäre unerwünscht und frevelhaft
und treibt mir Schamesröte in die Wangen,

als hätte sich mein Herz an dir vergangen.
Wie gerne ließ ich doch die Zügel schießen,
der Liebe und der Liebesleidenschaft.
Jedoch es darf nicht sein, das ist es eben,
und du wirst nie aus meinem Munde hören:
"Es ist die Liebe, die mich zu dir treibt."


Doch treibt mein Herz ein brennendes Verlangen
zu hören, riechen, sehen, zu genießen,
was meinem Leben diese Leiden schafft.



P.S.: Ich nutze eine Zeile in jeder Strophe als Refrain, um die Wirkung zu verstärken.

Lieber Sanderling,

danke für dein Lob.

Liebe Heike,

Ich verstehe nicht, was du meinst.

Liebe Heliane,

warum das keine Sestine ist, müsstest du mich schon genauer erklären.

In deiner Erklärung der Sestine schreibst du folgendes:

Zitat:
Die Reime folgen einem Muster, sie „mäandern“ in komplizierter Folge und verschobener, jedoch festgelegter Stellung durch das gesamte Gedicht und „sammeln“ sich in der Coda (zwei Reime pro Halbvers). In der Coda können sowohl Zeilenlänge und Muster variieren und echte Reime vorkommen.

Die weitaus kompliziertere Reimfolge:
1. Strophe: 1-2-3-4-5-6
2. Strophe: 6-1-5-2-4-3
3. Strophe: 3-6-4-1-2-5
4. Strophe: 5-3-2-6-1-4
5. Strophe: 4-5-1-3-6-2
6. Strophe: 2-4-6-5-3-1
Coda V1: 1 - 2
Coda V2: 3 - 4
Coda V3: 5 - 6

Zitat Ende

Die Reime müssen keine Identischen Reime sein, d.h. es muss nicht genau das gleiche Wort in jeder Strophe wiederholt werden, es sind eben "Reime" wie du in deiner Erklärung sagst.

Und nun schauen wir mal, ob es Prosa ist, oder ob die "komplizierte Reimfolge" eingehalten ist.

Liebe Grüße euch allen
Thomas

Es ist nicht Liebe

Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt, 1
ich spüre nur ein brennendes Verlangen, 2
dich anzusehen, ohne dich zu stören, 3
sonst weiter nichts, nur schauen, nur genießen. 4
Vielleicht ein wenig träumend dich umschweben, 5
doch ganz für mich und ohne Leidenschaft. 6
Strophe 1: 1-2-3-4-5-6

Zwar ist dein ganzes Wesen zauberhaft, 6
doch ist's nicht Liebe, die mich zu dir treibt. 1
Ich bin vergnügt, kann ich dir etwas geben 5
und dann ein Lächeln nur zum Dank empfangen; 2
ich lasse mich auch nicht davon verdrießen, 4
wenn andere dir ihre Liebe schwören. 3
Strophe 2: 6-1-5-2-4-3

Sie sagen mir, du würdest mich betören 3
und schon seit langem hättest du's geschafft, 6
mein Herz mit Amors Pfeilen aufzuspießen. 4
Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt, 1
Es ist ein vages Hoffen oder Bangen, 2
Gefühle die sich ineinander weben. 5
Strophe 3: 3-6-4-1-2-5

Gefühle die mich tragen und erheben, 5
die, in sich ruhend, meine Ruhe stören, 3
von denen einstmals großen Dichter sangen; 2
sie geben mir und nehmen alle Kraft. 6
Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt! 1
Denn meine Liebe würde dich verdrießen. 4
Strophe 4: 5-3-2-6-1-4

Ich weiß im Herzen sorgsam zu verschließen, 4
was wichtig ist als Kleinod aufzuheben. 5
Es ist nicht Liebe, die mich zu dir treibt! 1
Schon der Gedanke sollte mich empören! 3
Er wäre unerwünscht und frevelhaft 6
und treibt mir Schamesröte in die Wangen, 2
Strophe 5: 4-5-1-3-6-2

als hätte sich mein Herz an dir vergangen. 2
Wie gerne ließ ich doch die Zügel schießen, 4
der Liebe und der Liebesleidenschaft. 6
Jedoch es darf nicht sein, das ist es eben, 5
und du wirst nie aus meinem Munde hören: 3
"Es ist die Liebe, die mich zu dir treibt." 1
Strophe 6: 2-4-6-5-3-1


Doch treibt mein Herz ein brennendes Verlangen
Coda V1: 1 - 2
zu hören, riechen, sehen, zu genießen,
Coda V2: 3 - 4
was meinem Leben diese Leiden schafft.
Coda V3: 5 - 6

Liebe Heidi,

vielen Dank für dein Urteil.

Ich habe inzwischen nach anderen Definitionen für die Sestine gesucht. Die folgende ist aus der Leselupe.

Zitat:
Die Sestine besteht aus sechs "normalen" und einer Schlussstrophe. 

Die sechs Wörter, die den Versschluss bilden, tauchen in genau bestimmter Weise in anderer Reihenfolge in den Folgestrophen wieder auf.
Dabei werden sie permutiert.

Die Geleitstrophe umfasst nur drei Verse, enthält aber alle Schlusswörter der einzelnen Strophen.

Die Wörter werden dabei verschränkt angeordnet.

Zitatende.

Hier wird von WÖRTERN gesprochen, die sich dann natürlich reimen, und nicht von REIMEN oder Reimwörtern, welche normalerweise unterschiedliche Wörter sind, aber solche, die sich reimen.

Nach der Definition, die ich in der Leselupe gefunden habe, müssten tatsächlich die Wörter am Zeilenende gleich bleiben und nur permutiert werden.

Ich muss gestehen, dass mir die Definition von Heliane, selbst wenn sie nicht ganz korrekt ist, viel sinnvoller erscheint.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Ilona,

was du von mir zitierst belegt, dass ich davon ausging, dass normalerweise nur Reime gefordert sind, und Rückert sich die Sache erschwert, indem er sogar die identischen Worte verwendet.

Ich verstehe nicht, dass du nicht verstehst.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Heliane,

vergleiche die beiden Definitionen.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Clara,

was du sagst freut mich sehr, wirklich sehr.

liebe Grüße
Thomas

Lieber Derolli,

schön, dass du es einfach so wie es ist als Gedicht betrachtest und Schönes findest. Es sollte eigentlich eine Sestine sein und ist nur etwas sestinenähnliches, aber mir gefällt es aus den Gründen, die du in deinem Kommentar aufzeigst. Vielen Dank dafür.

Liebe Grüße
Thomas