Von Rind zu Mensch
(Ergänzung zu Goethes „Prometheus“)

Behalt dein Gras, dein Heu und Stroh!
Friss es doch selbst
und häng dir Ketten um
mit hohlen Bimmelglöckchen dran.

Hör auf, vom lieben Vieh zu schwafeln,
sieh Kühe nicht als heilig an,
vergiss, dass Kälbchen süß und niedlich seien,
solang dir zarte Schnitzel schmecken.

Du wolltest mich lehren,
deinen Karren aus dem Dreck zu ziehen
und dir zu danken für Pflege, Stall und Fraß.
Doch ich durchschaue deine Heuchelei.

Schuften lässt du mich,
nimmst Nahrung, die nur mir zusteht,
für deinen Käse, Yoghurt, Babybrei,
nimmst meine Haut, mein Blut, sogar die Knochen.

Lässt mich vor Durst verrecken
auf Transporten, qualvoll sterben
in Todesangst
durch unbarmherzige Maschinen,
dabei noch Regeln und Gesetze lallend
über Schmerz,
vermeidbar, falls nicht nötig.

Lob nicht mein feines Fell,
das doch nur Sohlen gibt für deine Schuhe.
Hör auf, den Stier in der Arena
mit Bravo-Rufen zu beehren,
bevor er Blut kotzt und zusammenbricht.

Ich weiß, wer du bist, Herr der Welt!
Ich habe Hörner.
Nichts anderes als spitze Zacken, scharfe Hufe
erwarte von mir,
wenn Nasenring und Kette nicht mehr greifen.

Lieber Fabulix,
es wird Zeit, Sturm und Drang für Rindviecher einzuläuten!
Ausbeutung und die Verlogenheit gegenüber unseren "Mitgeschöpfen" hast du kurzweilig, jedoch sehr eindringlich geschildert.
Klopstock wäre stolz auf dich.
Ich mag dein Gedicht sehr gerne. Du hast sehr flüssig formuliert und einen schönen Klang gezaubert.
Gewiss nicht zum letzten Mal gelesen!
Herzliche Wochendgrüße,
Heliane.

Lieber Fabulix,

dieses Gedicht bedarf einer eingehenden Untersuchung - also ich meine es verdient diese um die Punkte der Anlehnung an Prometheus und auch der vielen Wortspiele herauszustellen, die du hier eingebaut hast.
Ich werde es eingehender betrachten, sobald ich Zeit dazu habe, spätestens Anfang nächster Woche.

Liebe Grüße der Vorfreude

Derolli

Lieber Thomas,
liebe Medusa,
lieber Derolli,
über eure Anteilnahme an meiner Ochsentour freue ich mich. Leider muss ich gestehen, dass ich kein Vegetarier bin (obwohl aus Oranienburg-Eden stammend). Ich denke mehr an Unterdrückte, Ausgenutzte und Gequälte allgemein, also außer Haustieren auch Sklaven, Ausgebeutete, Opfer von Betrug und Machtstreben. Prometheus lehnt sich gegen die Götter, speziell Zeus, auf. Er ist zugleich ohnmächtig und stark. Das trifft für die meisten Haustiere auch zu. Und für Menschen, deren Lebensrechte und Würde in Frage gestellt sind. Um Bewusstsein eigener Stärke geht es - auch wenn dabei nur ein Sisyphus-Brocken leicht angehoben wird.
Fabulix

Hi,

also Goethe beginnt mit dieser Vorgabe:

.X.x.X.X
.X.x
.X.X.x
.X.X
.X.x.X.x
X.x.X.
.X.X
.x.X.
x.x.X
.x.X
.x.X
.x.X.

Fabulix beginnt:

.X.X.X.X
X..X
.X.X.x
.X.X.X.x

xx.X.X.X.
xX.x.X.x
.X.X.X.X.X.
.X.X.X.X.

also kann man vielleicht jetzt schon den Schluss ziehen, dass deine Verse etwas länger und V2 auch mal zwei Senkungen, hingegen V5+6 auch zwei Hebungen oder mindest schwer zu unterscheidente Betonungen aufweisen kann.

Wieso bist du an diesen Stellen von der Vorlage abgerückt, bitte versteh mich nicht falsch, ich frage nur danach, ob du hier besonderen Inhalt kenntlich machen willst, oder was du als Künstler dabei denkst, ich sage nicht, dass man die Vorlage 1zu1 einhalten muss. Im Gegenteil ich finde es sogar spannender wenn man etwas dazu entwickelt, oder eine neue Bedeutung einbaut.

Liebe Grüße

Derolli

lieber Fabulix
Deine Idee und Umsetzung finde ich großartig.
Ja, die Kühe sind nur dem Heilig der sie zu melken versteht.
Und wenn wir es betrachten, was machen die Europäer mit den Flüchtlingen und den Menschen in der 3.Welt? Allein der Begriff ...

herzlich Ilona

Lieber Fabulix,

weiter geht es mit der Betrachtung. Jetzt etwas zum Inhalt:

Was mir echt sehr positiv aufgefallen ist, das ist die Steigerung und Zuspitzung des Leiden der Tieres, die du erzeugst. Zwar würde ich sagen, dass der Höhepunkt (intellektuell und künstlerisch gesehen) bereits in S2V1+2 liegt, da du hier mit "liebes Vieh" und "heilig" eine Menge Assoziationen schaffst, doch der Leidensweg des Viehs wird von dir immer weiter gesteigert, bis es in S6 sozusagen mit Füßen getreten wird. Die letzte Strophe ist zudem ein passener Schluss, mit Moral und Fazit. Also vom Spannungsbogen her gesehen, hast du dein Gedicht fein aufgebaut. Bravo!

Liebe Grüße

Derolli

Hallo Ostseemöwe,
ich fühl mich von dir verstanden. Was mein Rind zum Menschen sagt, ist natürlich auch vom Menschen zum Menschen - und zum Unmenschen - gesagt. Das Gefälle zwischen Prometheus und Zeus bei Goethe ist ähnlich wie zwischen einem fühlenden Tier zum Menschen, aber auch zwischen Ohnmächtigen und Mächtigen. Was stumme Kreaturen sagen würden, wenn sie zu Worte kämen, war meine Fantasie.
Weiter viel Freude an deiner Kreativität wünscht dir
Fabulix


Hallo Derolli,
deine Feststellungen über Senkungen und Hebungen in den einzelnen Zeilen sind mir zu theoretisch und auch zu nebensächlich. Ich denke, wenn Goethe beim Verfassen von "Prometheus", "Ganymed" und "Grenzen der Menschheit" - man spricht da wohl von "freien Rhythmen" - sich hätte an ein vorgegebenes Schema aus betonten und unbetonten Silben halten müssen, wäre ihm keines der drei Gedichte gelungen. Gedanken, die man versucht, dichterisch auszudrücken, wollen so fließen, wie sie aus der Ideenquelle heraussprudeln. Vorgegebene Formen lassen nur Gedankengänge in bestimmten Bahnen zu. Die Form entsteht beim Dichten. Sie darf nicht als vorgegebener Zwang schon bereitstehen und sagen: Ich lasse aber nur das zu, was in mich hineinpasst. Denk an Christian Morgensterns Wiesel auf dem Kiesel des Reimes willen.
Ich habe natürlich Goethes Prometheus-Gedicht nur als Anregung genommen und nicht versucht, zu jedem seiner Sätze eine Entsprechung zu finden. Dass dann doch ein paar Ähnlichkeiten entstanden sind, finde ich nachträglich gar nicht so schlecht. Sie waren aber nicht eifrig oder mühsam angestrebt, sondern nur naheliegend.
Ich bin leider ein Mensch, der als Schüler die Gliederungen seiner Aufsätze immer erst hinterher angefertigt hat. Bei Goethe war das sicher anders. Deshalb ist auch mein Abstand von ihm fast so groß wie der von Prometheus zu Zeus.
Jetzt könnte man mir vorwerfen - sehe ich beim nochmaligen Durchlesen - ich wäre ein Feind aller Disziplin beim Abfassen von Gedichten. Also: Ich erkenne durchaus den Wert sauberer Rhythmik an. Wenn ich shakespearsche Blankverse in fünffüßigen Jamben wähle, muss ich mich konsequent daran halten. Da dürfen nicht plötzlich zwei unbetonte Silben hintereinander Stolpern auslösen. Genauso ist es bei den - am weitesten verbreiteten - Versen mit vier Hebungen pro Zeile. Knüttelverse erlauben dann mehr Freiheiten. Je mehr es mir darauf ankommt, genau das zu sagen, was ich sagen will, und nicht um des Reimes willen in ganz andere Richtungen abzugleiten, desto mehr muss ich mich von bereitstehenden Schemata lösen. Wenn Reime, dann "gute", keine abgedroschenen, keine Pseudoreime wie "Garten" auf "Spaten" oder so. Wenn freie Aussage, dann nur passende, treffende Worte und um Gottes Willen keine Reime dazwischern.
Wo in einem Gedicht der Höhepunkt, das Ansteigen oder die Auflösung der Spannung liegt, ergibt sich - wenn's gut geht - von selbst. Bei mir würde ein vorheriges Anlegen eines diesbezüglichen Planes den finalen Schreibkrampf auslösen. Gut ist immer eine markante Aussage oder gar eine Überraschung am Ende. Oft bei Heinrich Heine so zu finden.
So, jetzt hab ich ein kulturpäpstliches Donnerwetter von dir auf mich gezogen. Das Schreiben wird mir aber auch nach einem solchen weiter Freude machen. Mich hat immer die Zeile aus Rilkes "Der Knabe" sehr angesprochen: Bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.
So bin ich - immer noch!
Lieben Gruß
Fabulix


Lieber Fabulix,
ich habe deine Antworten auf die Kommentare von Ilona und Olli in einem Fenster zusammen gefasst. Du kannst unbegrenzt in einem Fenster antworten und musst dir nicht die Mühe machen, für jede Antwort ein neues Fenster zu öffnen .
Herzliche Grüße,
MedusaMOD.

Lieber Fabulix,

wieso solltest du dir von mir ein Donnerwetter zuziehen. Ich unetrsuche lediglich wie Rhthmen auf mich wirken und versuche sie dann nach ihrer Wirkweise anzuwenden, was mir allerdings selten gelingt. Gerade dieses freie Nutzen der Hebeungen und Senkungen, kann ganz unvermittelte Wendungen bewirken und auch als Effekt genutzt werden. Bitte denke nicht, dass ich sagen will man müsse sich enger an Formen halten, oder Metrik und Metrum an erste Stelle setzen. Ich versuche nur in deinen Zeilen zu lernen, wie du es schaffst Melodie und Inhalt miteinander zu verbinden.

Liebe Grüße

Derolli

Lieber Derolli,
entschuldige, da hab ich wohl übereifrig gegen Windmühlen gekämpft und offene Türen eingerannt. Tut mir leid. Ich bitte dich um Verständnis, dass dein X.X.XX.. usw. auf mich furchterregend wirkte und verzerrte Wahrnehmung ausgelöst hat. Ich dachte, da ist der Abklopfer über mich gekommen und jetzt soll ich gefressen werden. Das hängt mit meinen Erlebnissen zusammen, die mir Deutschlehrer angedeihen ließen.
Wie schön, dass es im Musengarten richtig musisch zugeht, auch ohne Kunstdünger.
Fabulix