Wohin wir schau’n, ist alles braun. Wohin wir schauen sollen? Wohin ist unser Selbstvertrau’n? Wohin zielt unser Wollen?
Braun ist gemischt aus Schwarz und Rot, aus Blut und Nacht und Leiden. Verachtung wird daraus Gebot. Wer mag sich daran weiden?
Braun ist im Untergang das Laub, doch braun ist auch die Erde. Ist alles Gelb verdeckt vom Staub? Siegt Stirb über das Werde?
Ist nicht der Winter schon vorbei? Lang wächst die Kraft zum Blühen. Fehlt nur des Weckrufs lauter Schrei? Wie schnell rinnt ungenutzt der Mai, wenn wir uns drum nicht mühen?
auf den ersten, flüchtigen Blick sah es nach einem Naturgedicht aus, doch klar kam ich damit nicht. Dann hab ich auf die Rubrik geguckt. AHA. Ob ich mit meiner Interpretation eine Bauchlandung mache, wird sich ja herausstellen:
Braun deutet auf DE's unrühmliche Vergangenheit hin. Geh ich von diesem Ansatz aus, macht alles Sinn. 1.Strophe: die Unsicherheit, Auf / Umbruchsstimmung.
S2: Schwarz, die Farbe der SS Rot: Blut Die Verbindung ergibt BRAUN. Alles in S2 bestärkt mich, dass ich richtig liege.
S3: mit dem Gelb kann ich nix anfangen. Da musst Du mir auf die Sprünge helfen.
S4: der Zenit ist erreicht. Die Stimmung verschlechtert sich. Das 'Biest' schlummert zwar (noch), aber ein lauter Schrei könnte den schlafenden Löwen wecken.
Bemühung ist angesagt, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.
S1 Z3: wohin ist unser Selbstvertrau'n ... ist sprachlich verquast. Vllt 'wohin floh unser Selbstvertrau'n'. Da ich annehme, Du willst die 4 'wohin's beibehalten (wofür ich plädiere), fällt mir nur dieser eine Vorschlag ein.... oder: wohin ver/entschwand das Selbstvertrau'n?
Verachtung wir daraus Gebot. Hm... geht gar nicht. Vllt: Verachtung macht daraus Gebot?
Siegt Stirb... sprachlich zweifelhaft. Vllt: Siegt Tod über das Werde? Oder: Siegt Sterben über Werde?
Lang wächst die Kraft... geht mM nach nicht, da 'lang' an dieser Stelle entweder Mit-, Ver-, oder Vorvergangenheit erfordert und Du mit 'wächst' Gegenwart hast. Es wächst.... würd gehen, oder auch es wuchs.
So... und nun warte ich gespannt auf Deine Antwort, ob ich mit meiner Interpretation diesmal ins Schwarze getroffen hab.
ganz herzlich Willkommen in unserem noch überschaubaren Dichtergrüppchen. Ich freue mich sehr, dass du hier bist, lass dich inspirieren .
Ich interpretiere deine Farben ähnlich wie Lailany. Allerdings denke ich dabei an die Gegenwart. Mit Gelb meinst du den Judenstern? Für etwas gewagt halte ich die Gleichsetzung der schönen braunen Herbstfarben mit braunem Gedankengut. Denn während das eine nachwächst, um Sauerstoff zu spenden etc. wächst das andere nach, uns in Angst und Schrecken zu versetzen. Mir gefällt deine letzte Strophe sehr gut in ihrer Aussage: Alle Menschen sind aufgerufen, rechtzeitig aufzustehen und die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, bis es wieder einmal zu spät ist.
Durch die zum Teil verschachtelten Formulierungen und die gewöhnungsbedürftige Metrik, hatte ich beim Lesen ein paar Probleme.
Liebe Lailany, liebe Medusa, im Großen habt ihr erkannt, worum es geht. Im Kleinen fehlt etwas bzw. ist es so nicht gemeint. Zunächst mal nahm ich Bezug auf unsere Farben Schwarz, Rot, Gold (hier Gelb, Gold habe ich bewusst vermieden, das es symbolisch in der Regel anders gebraucht wird). Diese tragen in sich eine Symbolkraft. Leider kann man sie eben auch in beschriebener Weise mischen, so dass ein übles Braun entsteht. Doch ist nicht das Braun das Problem, was hier metapherhaft für die Vergangenheit steht, sondern das Verständnis also der Umgang damit und mit der Gegenwart. Denn die Farbe nur als einen einseitigen Bezug zu sehen, ist gefährlich. Schließlich ist die Erde ja auch braun. Damit meine ich, immer den Bezug zwischen Ursache und Wirkung herzustellen und nicht zu stigmatisieren. Nur ein klarer Verstand kann richtig haldeln. Wir sollten diese eine braune Denkart endlich aus den Köpfen streichen, Arroganz durch ein gesundes Selbstwertgefühl ersetzen. Wer sich selbst hasst, kann andere nicht lieben. Das Stirb ist dem Goetheschen 'Stirb und Werde' entliehen. Ich halte die Menschen nicht für schlecht, warum soll man sie also nicht so betrachten? Das Gelbe vom Ei haben wir jedoch noch lange nicht erreicht und es wird Zeit, sich dessen bewusst zu sein. Soweit zur Aussage. Die Herbstfarben (Braun) sind etwas schönes. Ja, das meine ich auch und darum die Beendigung der einseitigen Zuordnung. Zum Selbstvertrau'n, ich habe über entfloh und entschwand nachgedacht, doch es trifft inhaltlich nicht den Kern, es wurde verdrängt oder gar hinweggelogen, aberzogen, es ist nicht einfach wie ein Lufthauch von selbst entschwunden. Seit langem wächst die Kraft, war der Satz gemeint. Uns in der Tat ist schon seit langem das Nötige versäumt worden. "Tute Gutes und sprich darüber!" Warum sollten wir nicht über das Gute sprechen was alles getan wird? Bei der Verachtung fehlt leider ein Buchstabe, darum der irre Sinn. Verachtung wird ... (die Verachtung wird zum Gebot). Diese Verachtung schließt leider viel zu viel ein. Das ist für keinen gut. "verschachtelten Formulierungen und die gewöhnungsbedürftige Metrik" Verschachtelte Gedanken kann ich nachvollziehen, für das andere bräuchte ich zum Verständnis ein Beispiel. Besten Dank für Eure intensive Beschäftigung mit meinem Text. LG Ulrich
nach deiner sehr, sehr guten Erklärung zu deinem Gedicht lese ich anders und gehe einen Schritt zurück: Die "Verschachtelungen" ergeben einen Sinn und sind mir nun um ein Vielfaches klarer. Übrig bleibt die schwierige Metrik. Mit besserem Verständnis für deine Verse wird sie allerdings leichter zu packen.
Herzlichen Dank für deine Stellungnahme und viele liebe Grüße, Medusa.
Liebe Medusa, danke fürs nochmal Einschalten und die Bestätigung. Ich frage mich manchmal, ob der Spruch, ein Gedicht muss sich selbst erklären, immer anwendbar ist. Ich analysiere derzeit die Wirkung von Gedichten und Geschichten in einem Vortrag. Was dem Fachmann gefällt, muss dem gemeinen Hörer lange nicht gefallen und umgekehrt. Ich hatte gerade solch einen sehr kontroverses Erlebnis. Was zum Vortrag zutrifft, trifft sicher ähnlich auch auf den Leser zu? Das wäre mal ein Diskussionsthema. LG Ulrich
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