Erst sah es aus wie eine im Teichwasser aufgeblähte Jacke mit dunkelbraunem Kragen. Dass die Leute ihren Kram nicht im Mülleimer entsorgen können, dachte sie ärgerlich und zog ihre, vom Regen nasse Brille aus um sie mit einem aufgeweichten Papiertaschentuch wieder einigermaßen klar zu bekommen. Dann sah sie ihn! Das, was sie für den Kragen gehalten hatte, erkannte sie als einen dunklen Haarschopf. Das Gesicht lag, leicht auf die Seite gewendet, zur Hälfte vom Wasser bedeckt, am Uferrand auf. Die Arme hingen schlaff neben dem Körper und die Beine waren bis an die Oberschenkel vom Wasser bedeckt. Einige Sekunden stand sie regungslos. In ihrem Kopf herrschte Chaos, bleierne Starre erfasste sie, unterschiedlichste Impulse liefen auf Hochtouren. Schreien wollen, Wegrennen, Panik, Entsetzen, Hinlaufen, helfen wollen, Angst. Sie atmete tief durch, die Starre löste sich etwas. Sie griff an das Geländer, mit dem der kleine See eingezäunt war, um sich festzuhalten, denn eine leichte Schwindelattacke machte ihr nun zu schaffen. Sie hatte es immer befürchtet, hatte immer schon das Gefühl gehabt, dass ihr dies einmal passieren würde. Sie hatte es gewusst, nein sie hatte regelrecht darauf gewartet. Hundert Male schon hatte sie es sich ausgemalt, wie sie reagieren würde. Sie hatte das Entsetzen vorausfühlen wollen, hatte überlegt wie sie reagieren würde. Schreien oder nicht, weglaufen oder nicht, helfen oder nicht, da man ja auch Spuren verwischen würde. Sie hatte ihr Mobiltelefon nicht dabei, gerade jetzt nicht, wobei sie ja sonst nie ohne diese Verbindung zur Außenwelt in den Wald ging. Nun war es soweit. Ganz ohne Vorwarnung, gerade heute hatte sie nicht daran gedacht. Ein neuer Anfall des Entsetzens kroch ihr die Beine kalt empor, sie merkte, dass sich ihr die Nackenhaare hoch stellten und ein kalter Schauer den Rücken herunter lief. Sie war nicht allein, sie wurde beobachtet. Sie spürte die Blicke in ihrem Rücken, spürte die Bedrohung, die dichte Nähe, die Gefahr. Sie versuchte ihren Atem zu kontrollieren. "Ruhe bewahren", befahl sie sich und griff zu dem Küchenmesser, das sie mitgenommen hatte, um eventuell Pilze abzuschneiden. Es befand sich, eingewickelt in Küchenpapier, in ihrer Anoraktasche. Unauffällig löste sie das Messer aus seiner Umhüllung und hielt schließlich den Griff fest in der Hand. Dann wandte sie sich langsam um. Etwa 10 Meter von ihr entfernt stand er, nicht viel größer als sie, älter, im kunstseidenen grün-pinken Jogginganzug und einer offenen Regenjacke. Beide starrten sich an. Seine kleinen Augen grinsten nun tückisch und ein ekelhaftes Grinsen überzog sein Gesicht. Er kam näher und stellte sich neben sie an das Geländer, dass sie nun im Rücken spürte. Sie ahnte die Bewegung. Sie spürte seine Absicht, aber sie war schneller. Sie rammte ihm mit aller Kraft die sie aufbringen konnte, indem sie die Hand einen Bogen, von leicht oben kommend führte, in die Brust. Genau da, wo der pinkfarbene Streifen auf dem Jogginganzug verlief. Blut war an ihren Händen, rotes Blut. Sie spürte die Wärme des Blutes, das ihr entgegen spritze und Spuren auf ihrer Brille hinterließ. Sie sah, wie durch einen roten Schleier. Der Mann wankte zur Seite und starrte ungläubig auf seine nunmehr blutrote Jacke. Da schrie sie, und schrie und schrie und schrie.
Später wusste sie nicht mehr wie sie hergekommen war, später in dem Krankenzimmer der Psychiatrie, noch ganz benebelt von den starken Medikamenten, die man ihr gegeben hatte. Keiner konnte ihr erklären was geschehen war, von einer Leiche im Wasser wollte auch niemand etwas wissen, aber dass sie einen älteren Mann verletzt hatte, der am See spazieren gegangen war, das wussten alle. Was hatte man mit ihr vor? Sie fühlte sich verfolgt, sie musste auf der Hut sein.
nachdem ich diese Geschichte jetzt ein paar Mal gelesen habe hat sich immer wieder mein erster Eindruck bestätigt: ich habe das Ende genauso erwartet. Aber das liegt nicht daran, dass du irgendeinen Fehler beim aufbau des Spannungsbogens gemancht hast, den vermeindlichen Möder hast du sogar mit Bravour eingeführt, sondern daran, dass ich mal eine ganz ähnliche Geschichte gelesen habe, die mit den Worten endete: nachdem sie ihn sediert hatten, sperrten sie ihn wieder weg. Irgendwie war ich gleich von Anfang an auf diesem Weg und deshalb kommt das Ende für mich ohne Überraschung, das ist gemein, denn deine Ausführungen sind um einiges spannender, als der Text den ich vor Urzeiten las.
Wer nicht so eingefahren ist, für den hält diese Erzählung ein schlimmes Erwachen bereit.
Liebe Klatschmohn, ich muss gestehen, mich spricht diese Geschichte nicht besonders an. Für mich hapern Sprache, Bilder und Spannung erheblich. Auch der Schluss kommt mir seltsam konstruiert vor, einem mittelmäßigen Fernsehkrimi ähnlich.
Ich weiß, warum ich keine Kurzgeschichten schreibe ! Herzliche Grüße, Medusa.
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