Lieber Thomas, liebe Gabi,

Jetzt habe ich den Text anders gesetzt, um zu zeigen, dass er viele rhythmische Elemente, insbesondere in Form von Wiederholungen enthält. Und ich frage mich, was mit lyrischer Subjektivität gemeint ist. Ist hier keine Subjektivität vorhanden?

Also ich rätsel weiter und werde mir jetzt mal den Link von Gabi anschauen- vielen Dank dafür…

Liebe Grüße

änneli


Wir liebten die Art, wie er uns im Dunkeln
durch das Unterholz führte,
durch das Knacken der Äste,
vorbei an einer mondbeschienenen Lichtung
hin zu einem Hochsitz.

Wie er innehielt beim Ruf eines Käuzchens
uns zuflüsterte,
hört ihr, Kinder, hört ihr,
wie der Vogel euch vom Tod erzählt,
euch lockt,
, kiwitt, komm mit, komm mit.-

Wie er uns sicher über die morschen Stufen hinauf
auf den Sitz geleitete,
dort geduldig mit uns wartete
bis sich ein Reh mit seinem Kitz zeigte.

Wie er uns auf dem Heimweg
vorbei an dem verfallenen Gehöft mit dem alten Mühlstein
Geschichten aus dem Moor erzählte,
von Irrlichtern und Moorleichen,
von Geheimnissen, die dort verborgen lagen
und niemals mehr gelüftet werden würden.

Wie er ein Blatt vom Baum pflückte,
es behutsam zwischen seine Daumenballen legte,
seine Lippen darauf presste,
hineinblies
und die Tiere rief.

Wie er aus einem achtlos dahin geworfenen Wurzelstock
das Märchen von der Alraune zauberte.

Er schien voller Magie zu stecken,
so als wolle er jeglichen Grusel
in Vertrauen verwandeln, in ein Vertrauen,
das auch des nächtens grenzenlos schien.

Liebe anna,

nach unserer Aufgabenstellung probiere ich mich spontan oft aus. Binnenreime und Assonanzen seien nach Wiki auch Merkmale von Prosagedichten. Und Rhythmisierung bedient sich sicher sowohl der Wiederholung von betonten und unbetoneten Silben, als auch der bewusst gewählten Verschiebung, wie die Syncope in der Musik ( Taktberschiebung) . Vielleicht ist es mir nicht gelungen, aber das war mein erster Versuch: Kleiner König .

Liebe Grüße
der Sanderling

Lieber Sanderling,

Vielen Dank für den Hinweis, ich gucke ihn mir gleich an. Aber findest du diese Elemente nicht auch bei mir?

Liebe Grüße und danke an euch alle für die Auseinandersetzung mit diesem Thema.

ännchen

Liebe anna,

auch ich empfinde deinen Text nicht wirklich als Gedicht und vermute, dass es in erster Linie am erzählerischen Charakter deiner Zeilen liegt und besonders am konsequent durchgehaltenen Präteritum.

Ansonsten hat Thomas bereits das Wichtigste gesagt: rhythmische Mittel kommen insgesamt wohl zu kurz, obwohl nun nach der Neuaufteilung des Textes die mehrmaligen Wiederholungen von „wie“ besser herauskommen.

Generell ist es strittig, ob es solche Mischformen von Prosa und Lyrik wirklich Bestand haben.

Liebe Grüße aus Samothraki
Karlheinz

Liebe anna,

die neue Strukturierung deines Textes lässt ihn für mich schon mehr als Gedicht erscheinen, da sie eine Art Strophenabfolge sichtbar macht, und das Ganze anders als einen Prosatext wirken lässt. Binnenreime und Assonanzen habe ich jetzt weniger entdeckt. - Die Geschichte finde ich im übrigen sehr schön, belegt sie doch eine Achtsamkeit der Natur gegenüber, mit der wir den Tieren deutlich besser näher kommen können. ( So geschah es mir gestern noch, als ich still stehend fotografierte und mich wunderte, was sich plötzlich alles annäherte.)


Liebe Grüße
der Sanderling

Lyrische Prosa ist eher so wie ein Konzept das Widersprüche miteinander vereint und hier den letzten Bastionen unserer Menschlichkeit noch etwas Raum lässt dessen Form nicht ganz so ausschlaggebend ist;-)

MFG!

Was bedeutet das konkret?

Liebe anna a.,

vielleicht verhält es sich bei Prosa und Lyrik so wie bei Tieren und Gattungen. Dem Ganzen wird ein offizieller Name gegeben und der Grund der Namensgebung wird immer mal wieder von fachkundigen Experten definiert und verändert, was durchaus zur neuen Einteilung und mitunter einer Umtaufung führt.

Manchmal ist das eine echte Sensation: „ Es passiert zwar eher selten, aber manchmal werden dann doch noch neue Säugetierarten entdeckt. So etwa haben Wissenschaftler 2023 mithilfe illegal gehandelter Schuppen eine weitere Spezies asiatischer Schuppentiere ausgemacht: Die neue Art trägt den geheimnisvollen Namen Manis mysteria.“

Für mich jedenfalls steht schon lange fest das was du schreibst gehört in eine ganz neue eigene Kategorie (das meine ich selbstredend im positivsten aller Sinne).

Liebe Grüße der Bewunderung

Derolli

Lieber Derolli,

vielen Dank für diese mich berührende Rückmeldung... Wenn ich schreibe, dann häufig aus meinem Innenraum heraus, das ist am Authentischsten und vielleicht spürst du als Leser genau das. Wie sage ich so gerne: Es ist der Raum hinter den Worten, der für mich den Zauber von Sprache ausmacht...

Und nun denke ich weiter darüber nach, wie ich mich dem Thema "Angst" prosalyrisch widmen könnte. Bisher hatte ich noch keine zündende Idee...

Liebe Grüße

anna a.

Liebe anna, lieber Thomas,

das zeigt doch, dass es keine wirklich strenge Trennung zwischen Prosa und Lyrik gibt. Ich meine sogar, dass gute Prosa häufig lyrische Momente enthält…

Herzliche Grüße aus Samothraki
Karlheinz

Lieber Thomas,

danke für deine Mühe!
Und so ein schönes, lyrisches Beispiel hast du da noch gefunden. Hierbei empfinde ich ein Gedicht, welche Zutaten es im Komkreten auch immer gespeist haben.

Liebe Grüße
der Sanderling