Das Reisig Nest

Ihr Lieben,

danke für euer Interesse an unserem leeren Taubennest, das immer noch den Stürmen trotzt. Gerne erzähle ich was ich da schreiben wollte: Es sollte in Richtung Parlando gehen. Also erzählend im Stil, daher habe ich mich auch als Erzähler eingebracht, und etwas philosophisch natürlich auch, da es vom Fressen und gefressen werden handelt und allem lebenswichtigen. Bloße Beschreibung wollte ich nicht, also keine Prosa.

Wegen des Parlandos beseelte ich die Taube auch, "mit Geduld und Zuversicht" und gab ein Prise Assonanzen hinzu: "Ich weiß, dass ihren Augen nichts entgeht, was zwischen Astwerk sich in Bäumen regt". Es sollte insgesamt aber kurz bleiben. ( ich weiß gar nicht, ob ich lang könnte...?) Vielleicht probier ich es aber einmal aus, liebe Gabi.

Danke für euer beider Interesse
und entspannte Abendgrüße...

der Sanderling

Hi Sanderling,

um ein Parlando (vom Sprachwissenschaftlichen her und nicht so sehr das in der Oper vorkommende wie ich vermute) handelt es sich hier also.

Vielleicht sei mir gestattet anzumerken, ganz ohne dich Abschrecken zu wollen, dass mich hier die Pluralbildung verwirrt:

Zitat

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erstmals sah ich jungen Tauben dabei zu, wie sich ihr Kopf in Mutters Schlund vertiefte, um so an ihre Nahrung zu gelangen

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‚Wie sich deren Köpfe‘, wahlweise auch ‚einer jungen Taube‘, oder? Naja vielleicht gehört aber auch gerade das zum Charme des Parlandos - das ja von gesprochener Alltagssprache beeinflusst ist. Bin mir zudem nicht sicher ob ‚Geduld und Zuversicht‘ als Motivationsbeschreibung für Tauben dem Sprachgebrauch entsprechen. Zwar ist Schwätzen oder Plappern parlandig, aber das hier klingt recht ungewöhnlich ausschmückend.

Ansonsten bin ich beim Lesen abgeschweift, hin zu einem Kuckuck, wie wäre es wohl gewesen wenn er erst die Täubchen aus dem Nest geworfen, dann selbst aber von Elstern gefressen worden wäre, wäre dann die Moral aus der Erzählung nicht noch so viel unglaublich tiefer. Man kann natürlich alles übertreiben, siehe „there is always a bigger fish“ in Starwars Episode 1.

Die tiefsten Gedanken bleiben mir allerdings schon beim Bild des aufgegebenen Geburtsortes, der eigentlich Schutz verspricht, doch (hier ist Reisig perfekt gewählt) sich als wertlos, beziehungsweise nur als Mahnung für die Nachwelt von Nutzen erweist. Das dürfte ja auch das besondere an der Geschichte sein,

Also für mich eine Geschichte zum nachdenken, aber sprachlich ausbaufähig, nicht unbedingt nur durch Verknappung vielleicht auch gerade durch noch mehr übertriebene und vielleicht dann sehr grotesk wirkende Ausschmückungen.

Danke Sanderling, diese Geschichte lohnt es in ein klassisches Gedicht gewandelt zu werden - damit meine ich, sie ist Inspiration und das wiederum ist als Lob gemeint.

Liebe Grüße

lieber Sanderling
ich las Deine Geschichte und fand sie zum Greifen authentisch. Es war als sinnierte ich selbst in meinem Garten. Und zum Schluss

Zitat von Sanderling im Beitrag #1

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Es ist nicht leicht, dem einen Vogel seinen Wurm zu gönnen, dem anderen die Nahrung aber nicht, da sie den Nachwuchs fremder Vögel füttern.
Doch die Natur macht keinen Unterschied; hungrige Mäuler wollen allesamt zu fressen haben.

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Lieber Derolli,

ich danke dir sehr für deine Analyse und deine Anmerkungen, die mich noch einmal neu über dieses Parlando nachdenken ließen. Doch der Reihe nach:

1. Die jungen Tauben vertieften sich einzeln in den Kropf der Mutter, und der Gebrauch der Mehrzahl war deshalb richtig benerkt, falsch. Doch geschah das Füttern zeitlich so dicht bei- und nebeneinander, dass ich manchmal den Eindruck hatte, sie würde beide gleichzeitig füttern. Vielleicht lag darin meine eigene Irritiertheit.

2. "Geduld und Zuversicht" sind eindeutig menschliche Zuschreibungen an den Vogel und vielleicht nicht so gut gewählt, auch wenn ich diese Tugenden dem Vogel zuschrieb, nachdem ich rückblickend sein gesamtes Verhalten reflektierte. In Sommer saß die Taube häufig alleine im Astwerk unseres Apfelbaumes. Als wolle sie schauen, wer sind die beiden da, die dort auf grüner Wiese unterm Apfelbaum den Kaffee trinken? Lohnt sich die Mühe hier zu brüten, ist mein Gelege hier wohl sicher? Fast kam es mir so vor, als ob wir vor den Mühen eines Nestbaus von der Taube einer Prüfung unterzogen wurden.

3. Der von dir empfundene Kern des Parlandos, ..das leere Nest aus Reisig, als tiefes Bild empfunden, war für mich übrigens der zentrale Impuls das "kleine Ding" überhaupt zu schreiben.
Reisig ist das Baumaterial der Ringeltaube, und daher weniger ein von mir gut gewähltes Wort. Dennoch verbirgt sich hier hinter etwas großes: Leben aufzuziehen, in aller Kargheit eines Reisig Nestes. Es wird unter Ornithologen nicht als kunstvoll gestaltet geschätzt, mich begeisterte seine Konstruktion aber dennoch, denn auch nach der Plünderung des Nestes trotzte es leer, den Widrigkeiten des Herbstes, es behielt seine Fassung und hat bis heute Bestand. - Mir kommen dabei Gedanken auf, wie wenig wir Menschen im Vergleich zu der Lebensgrundlage einer Taubenbrut denn wirklich "mehr" brauchen, um erfüllt zu leben. Und, wie wichtig ist für unser dasein ein uns tragendes Fundament, was uns sogar in Schnee und Wind, oder Krieg, noch Halt vermittelt?

4. Vielleicht überlege ich mir das einmal, daraus ein klassisches Gedicht zu machen, ...oder jemand anderes hat dazu vielleicht Lust.

Lieben Gruß
der Sanderling