Rückbesinnung

Wie sind wir denkend doch verstandgeblendet,
durch Ratio teilend, wie der Hass es treibt,
anstatt dem Licht der Sonne zugewendet,

das ewig Liebe spendend ruhen bleibt,
derweil sich alles dreht und steigt und fällt.
Und wer da meint, dass er Geschichte schreibt,

indem er seinen Willen aller Welt
durch Regeln und Gesetzte oktroyiert,
wird sehen, dass er nichts in Händen hält.

Denn alles, was nicht Liebe schuf verliert
das Leben und den falschen Glanz.
So ward die Welt vom Schöpfer komponiert.

Und seiner Liebe Licht erhält uns ganz.

© Ralf Schauerhammer


P.S.: Dantes Göttliche Komödie, Himmel (letzter, 33. Gesang, Schlussverse)

Wie klein ist doch das Wort, wie schwächlich klingt's,
verglichen meinem Denken, dieses wieder
ist so gering, wenn ich's dem Schaun vergleiche.

O ewges Licht, das ganz in dir du ruhst,
allein dich fassen kannst, von dir begriffen,
in Liebe dich begreifst und deinem Antlitz lächelst.

Der Kreis, der wie zurückgestrahltes Licht
in dir sich zeigte, als ich längre Zeit
zu ihm mich aufmerksam gewendet, schien mir

In seinem Innern in der eignen Farbe
bemalt mit unsrem eignen Ebenbild;
drum ruhte einzig nur auf ihm mein Auge.

…

Dem hohen Flug des Schauens schwand die Kraft;
doch schon bewegte meinen Wunsch und Willen,
gleich einem Rad, das still sich dreht, die Liebe,

die die Sonne führt und all die andern Sterne.


(Übersetzt von Ida und Walther von Wartburg)

Dante Alighieri (1265 - 1321) ist der größte Dichter Italiens und wichtigste Wegbereiter der Renaissance.

Liebe, anna, lieber Sanderling und Carlion,

vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text und die Korrektur. Die Überschrift und das P.S. weisen auf einen großen Bogen hin, der die von Sanderling vorgeschlagene Kürzung (dessen, was er als tagespolitisch empfindet, was es meiner Meinung aber gar nicht ist) nicht möglich macht.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Ostseemöwe,

wieso war es mir nicht möglich. die Kürzung nicht in Betracht zu ziehen? Ich habe sie sehr wohl in Betracht gezogen, halte sie aber für schlecht. Da du Dante liebst, wirst du sicher an ihm auch schätzen, dass seine Göttliche Komödie hochpolitisch ist, schau dir nur an wie viele Geistliche und Politiker seiner Zeit er in die Hölle steckt. Ich denke halt, Poesie ist kein Rückzugsort von der Realität, sondern Poesie muss die Realität erspüren und vermitteln, die unpoetische Menschen erst viel später erkennen, jedenfalls ist so die Poesie der ganz Großen, an denen ich mich orientier, ohne wirklich groß zu sein, leider. Danke dafür, dass du mich mit deinem Kommentar zu diesen klärenden Gedanken angeregt hast.

Liebe Clara,

"dahergaloppieren" gefällt mir gut und das von einem Pferdefreund wie du! Ja, es geht mir um die "ernsthaften Probleme", die du ansprichst, welche für mich eine sehr tiefgreifende Veränderung unserer Gesellschaft andeuten. Ich bin Optimist, aber das kann man nur sein, wenn man vor Gefahren die Augen nicht verschließt. Es sind Probleme, die ich schon lange sehe, und ich hatte (wie sich später zeigte) die naive Hoffnung, dass die "Friedliche Revolution" in Deutschland hilft diese zu lösen. Deswegen muss ich meine Hoffnung nun in eine Rückbesinnung legen, die 700 Jahre umgreift.

Liebe Grüße euch beiden
Thomas

Lieber Sanderling,

nein, nicht streichen, denn deine Worte waren für mich sehr wichtig, zeigten sie mir doch, dass es mir nicht gelungen ist, das Problem poetisch deutlich genug herauszuarbeiten. Auch sind wir wohl alle i.A. von der Tagespolitik etwas genervt, egal wie wir die Dinge sehen.

Dieses ist wohl auch ein Grund, warum ich mich nicht besser ausdrücken konnte. Damit du es verstehen kannst, zeige ich dir meinen ersten Versuch zu deiner Aufgabe, welche ich dann zu negativ fand, um ihn zu veröffentlichen:

Verdunkelung-19

Die Kerzenflamme ringt nach Luft,
die einst so hell und klar
aus mittelalterlicher Gruft
und Nacht entstiegen war.

Was aufgeklärt der Menschheit Halt
und lichte Hoffnung war,
verklimmt. Löscht Zeitgeistgärung bald
die Kerze ganz und gar?


Dann ist mir eingefallen, dass ich positiv bei Dante anknüpfen könnte, denn ich bin überzeugt, dass er einer der wenigen Menschen war, welche die Grundlang für die Renaissance und damit für so viele positive Aspekte unserer Kultur gelegt haben – Dante, ein Dichter! Ganz wie es Percy Bysshe Shelley in "Defense of Poetry" beschreibt. Wenn es heute nur solch großen Dichter gäbe! Vielleicht sind sie ja schon da, und knospen unter der kalten Schneedecke. Ich selbst bin jedenfalls zu klein und schwanke zu sehr zwischen Vision und Materie, um mich zum freien Adlerflug des großen Poeten erheben zu können. Aber ich werde trotzdem weiterhin versuchen etwas flügge zu werden.

Liebe Grüße
Thomas

Lieber Sanderling,

herzlichen Dank.

Liebe Grüße
Thomas