Der Kuss

Die kühle Hand der Nacht
Greift nach des Meeres sanfter Wogen.
Des Tages schwere Last
Scheinet der Welt enthoben.

Ein rastlos Wind sucht Ruh'
Strebt nach der Meere weiter Ferne,
Und zu friedvollen Gestaden
Im hellen Licht der Sterne.

Und als der Gott der Meere
Im nun stillen Glanz sich sonnt,
Verharrt die Welt im Augenblick
Und Mond küsst sacht den Horizont.

Liebe Eminenz,

erstmal muss ich dir ein Kompliment machen, du schaffst es vom ersten Vers an, eine sachte, zärtliche Stimmung aufzubauen und diese dann zu halten. Das ist sicher bei dem Titel "der Kuss" wünschenswert. Ich finde auch den Gedanken, dass es sich um die Berührung des untergehenden Mondes mit dem Meer handelt, viel besser, als die Beschreibung zweier liebender Menschen.

An deinem Gedicht ist mir eine Stelle aufgefallen, die man ganz einfach (wie ich finde zum Vorteil) verändern könnte wenn man will. Das ist ja nur so eine Idee die ich habe und zwar aus folgenden Gründen:

Zitat

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Verharrt die Welt im Augenblick
Und Mond küsst sacht den Horizont.

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Wieso nicht ein Punkt nach Augenblick, wie könnte man im Schriftbild besser kurze Ahalten der Welt ausdrücken. Der nächste Vers muss ja nicht mit einem U beginnen, wenn doch dann erkenne ich das Akrostichon nicht, oder kenne nicht die Gedichtform - dann nehme ich natürlich sofort alles zurück und bereue in Staub und Asche. Also "Der Mond" am Versanfang, würde auch den fehlenden Artikel ausbügeln.

Ich denke außderdem, dass man das Komma nach Vers 2 Strophe 2 nicht braucht.

Aufgrund der Sprache die du verwendest gehe ich davon aus, dass es sich um eine ältere Gedichtform handelt, die mir einfach noch nicht so klar ist. Ich mag aber solche Ausflügein die Vergangenheit sehr und bin schon sehr interessiert an der Auflösung zum Sprachgebrauch ("sanfter Wogen" - statt sanften Wogen; "ein rastlos Wind" - statt rastloser; "scheinet" ).

Liebe Grüße

Derolli

Hallo Eminenz,

ein hübsches, sehr zartes und stimmungsvolles Gedicht mit schönen Bildern, das mit sehr gut gefällt.
Mich stören ein wenig die Majuskeln am Versanfang, sie unterbrechen meinen Lesefluss. Aber es gibt einige neue und alte Meister, die sie als Stilmittel einsetzen, darum kritisiere ich diesen "Kunstgriff" nicht .
Die etwas angestaubte Sprache stört mich überhaupt nicht, sie fügt sich sehr schön ein.
Ein sehr liebevoller und gut gelungener Kuss .

Herzliche Grüße,
Medusa.

Lieber Eminenz,
auch mir gefällt dein Gedicht recht gut, das (für Novizen oft charakteristisch) im halben Kreuzreim gestaltet ist.
Und gern erkläre ich dir den halben Kreuzreim an Strophe 2 (S2) deines Gedichtes, wo sich lediglich Vers 2 (V2) und Vers 4 (V4) reimen, V1 und V3 jedoch nicht:

Zitat von Eminenz im Beitrag #1

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Ein rastlos Wind sucht Ruh'
Strebt nach der Meere weiter Ferne
Und zu friedvollen Gestaden
Im hellen Licht der Sterne.

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Liebe Alle,

Danke für Eure Antworten. Ich freue mich, dass es Euch gefällt. Die Vorschläge zur Zeichensetzung nehme ich sehr, sehr gerne an. Das "Und" vor dem Mond hat aber eine besondere Bedeutung: Es soll hervorheben, dass die Berührung von Mond und Horizont zwar etwas "Wundervolles", aber auch "Normales" ist.

Liebe Grüße
Eure Eminenz

Hallo Eminenz,
auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen im Garten.

Die Vorkommentatoren haben zu Deinem Einstandstext ja schon ganze Arbeit geleistet, daher möchte ich Dich nur auf einen Fehler aufmerksam machen: 'greift nach des Meeres sanften Wogen' .

HG von Lailany

Lieber Thomas,

vielen Dank für Deine willkommenheißenden Worte. Dass Du diese alte Sprache nicht sonderlich gut findest, ist selbstverständlich Deine Meinung. Nicht jeder kann ein Fan der Goetheschen Kultur sein.

Zu Deiner Kritik: Vielen Dank, dass Du Dir Gedanken gemacht hast. Leider kann ich keinen einzigen Deiner Kritikpunkte tatsächlich nachvollziehen.

1. "Greift nach des Meeres sanfter Wogen" : Eine derartige Genitivkonstruktion in einem Gedicht ist arttypisch für romantische und insbesondere spätromantische Gedichte. Heutzutage wird eine solche Genitivkonstruktion in der Tat nicht mehr verwendet, was allerdings mehr mit dem allgemeinen Sprachverfall als mit grammatikalischer Korrektheit zu tun hat. Dennoch, vielen Dank für deine Anmerkung; in diesem Fall leider epochal nicht ganz anwendbar.

2. "Scheinet der Welt enthoben" : Wenn man den Vers ganz genau beleuchtet, wird man feststellen, dass der sinnliche Bezug dieses Verses sich tatsächlich auf die "Welt" bezieht und damit tatsächlich die "Welt" von etwas enthoben ist. Die grammatikalische Funktion des Passivs soll hier deutlich machen, dass die Welt von der Last des Tages enthoben wurde. Deine Kritik ist demnach nicht auf den richtigen grammatikalischen Bezug gerichtet. Danke, trotzdem.

3. Der Wind ist nicht ratlos. Bewusst habe ich hier das Motiv eines rastlosen Windes gewählt. Ein typisches Motiv einer mir favorisierten Epoche: Der Romantik. Sehnsucht und Nichterreichbarkeit waren prägende Merkmale dieser literarischen Zeit, die durch das Adjektiv "rastlos" weiter hervorgehiben werden sollte.

4. Die Kritik am Wort "Und" hat mich sehr lange beschäftigt. Dennoch neige ich dazu, sie nicht umzusetzen. Das Wort "Und" stellt im romantischen Kontext nämlich auch die aus einer Unvollkommenheit resultierende Unzufriedenheit dar und soll deshalb symbolisieren, dass Schönheit und Vollkommenheit nicht allein durch reine Addition erreicht werden können.

5. Inversion : Aufgenommene Kritik; kann man vertreten, kann ich in diesem Fall allerdings aus persönlichem Sprachempfinden nicht folgen. ABER, berechtigt!

6. Die Formulierung am Ende des Gedichtes habe ich bewusst gewählt. Es soll eine fast beiläufige Situation darstellen, die in sich aber vollkommen vollkommen erscheinen soll und somit das Leitmotiv des Gedichtes bildet. Das "Und" soll darstellen, dass Perfektion und Vollkommenheit im Leben auch ganz nebenbei und unrealisiert aufkommen können.

Ich danke Dir für Deine Rückmeldung.

Ihre Eminenz

Lieber Eminenz,
daß dein Gedicht dem Terminus eines Goethe gefolgt ist, finde ich persönlich unmaßgeblich.

Das von Thomas monierte 2malige „Und“ am Versanfang in S3 V1+4 könntest du geschickt umgehen, in dem du seinen Vorschlag zumindest überdenkst … gleichzeitig finde ich - wie er - auch die Inversion im V2 unschön, daher folgt hier meinerseits eine Alternative, wenn du denn magst:

Zitat von Eminenz im Beitrag #1

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Und als der Gott der Meere
Im stillen Glanz sich wohlig sonnt,
Verharrt die Welt im Augenblick -
Der Mond küsst sacht den Horizont.

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Zitat von Eminenz im Beitrag #1

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Die kühle Hand der Nacht
Greift nach des Meeres sanfter Wogen.

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Zitat von Eminenz im Beitrag #1

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Rastloser Wind sucht Ruh'

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Lieber Thomas,

entschuldige bitte, falls ich Dich falsch verstanden habe, ich wollte Dich auf gar keinen Fall in irgendeiner Form kränken. Verzeihe mir! Deine Kritik schätze ich sehr, ich teile sie halt in diesem Fall nicht, aber das ist ja auch nicht so schlimm. Kritik soll ja lediglich Anregungen geben und das hat sie auf jeden Fall

Zu Yette,

den Vorschlag zu S3 V2 finde ich super, das werde ich übernehmen! Das "Und" als Wortanfang von V4 bleibt aber Das habe ich ganz bewusst da hingesetzt.

Liebe Grüße
Eure Eminenz

Ok