Alles braucht seine Zeit,
kein Gras wächst über Nacht,
deine Briefmarkenwelt, sie gab dir
zu denken, es häuften sich
kleine und große Abschiede

Dich trieb es, was dich bewegt,
in Verse zu setzen, in Stanzen
und Sonette, die kaum
jemand las, die nichts veränderten,
weder die Welt noch dich

Du spürtest, da muss
noch mehr sein als das Gereime,
die ganze Welt in einem Gedicht -
war das nicht dein Traum,
hochfliegend und nie erreicht?

Heute, mitunter,
fallen dir ein paar Zeilen ein,
das Erinnern schmerzt, du lächelst,
und das alte Papier duftet
wie feuchtes Heu

Liebe Priska,

mich macht Dein Gedicht sehr nachdenklich.
Kann man in einem Gedicht wirklich das ausdrücken was einen im tiefsten Inneren wirklich bewegt?
Ist es nicht, kaum dem Hirne entsprungen schon wieder bruchstückhaft und festgelegt?
Versformen hin und her sind doch nur Hilfsmittel, sind Suche nach dem Ausdruck.

Die Sehnsucht „das große Gedicht“ zu schreiben bleibt, womit ich nicht die Anerkennung der Masse oder der Spezialisten meine, sondern das Gelingen, „Ureigenes“ oder das „Große und Ganze“ in Worte zu fassen.
Vermutlich gelingt es nie und wenn, dann reicht vielleicht ein einzelnes Wort, ein einzelner Satz, eine einziger Vers und das vielleicht auch nur für eine einzelne Sekunde der Erleuchtung.

Im Übrigen bin ich nicht der Ansicht, dass ein Gedicht, ein Eigenes oder ein Fremdes nichts verändern kann, vielleicht nicht die Welt, aber ganz sicher das eigene Denken und Fühlen.
Dein Resümee am Schluss gefällt mir am besten. Der Geruch von feuchtem Heu….., das ist doch was!

Liebe Grüße, Heidi

Hallo Klatschmohn,

ein Gedicht drückt immer eine Haltung des Autors aus, das, was ihn bewegt, und das kann es nicht nur, das muss es sogar, und das tut es sogar, selbst wenn der Autor das nicht bemerkt. Jeder Schreibende äußert sich über sich selbst, egal, über welches Thema oder in welcher Form er schreibt. Aber ein Gedicht verändert nichts, schon gar nicht die Welt, aber es kann eine indirekte Wirkung nach sich ziehen, die auch langfristige Folgen haben kann. Ob es den Schreibenden verändert, mag dahingestellt sein, im Grunde aber ist es so,
dass sich der Autor wenig durch sein Gedicht verändert, sondern die Wirklichkeit verändert ihn vor allem. Die Beschäftigung mit dem Schreiben wird allgemein überschätzt, es wird viel Brimborium um den kreativen Aspekt des Schreibens gemacht, aber ist es nicht so, dass es auch sehr viele nichtkreative Autoren gibt, trotz aller ehrlich gemeinter Bemühungen? Die aber glauben, sie seien zu "Höherem" geschaffen und es sei nicht nötig, ins Leben zu blicken und das Handwerk des Schreibens zu erlernen? Ich kann das sagen, ich merke das, wenn ich ein ein Gedicht eines Autors mit dieser Haltung lese. Bis man ein Gedicht schafft, das vor einem selbst bestehen kann, ist es ein langer Prozess des Lernens. Aber eben nicht nur aus dem Buch, sondern vor allem aus der Wirklichkeit. Rilke gab den Poeten den Ratschlag, nicht zu früh mit dem Schreiben anzufangen, erst einmal das Leben kennenzulernen.

Priska

Liebe Priska,

ich bin immer dafür sich selbst und auch andere nicht überzubewerten. Das Gleiche gilt für mich auch für das Gegenteil, und so brauche ich auch niemanden unterzubewerten, denn jeder schreibt so, wie sie/er es für sich richtig erachtet. Sie/er schreibt entsprechend wie und wo sie/er sich in ihrer/seiner Entwicklung befindet und was gerade für sie/ihn wichtig ist. Natürlich kann das auch Rückschlüsse auf sie oder ihn geben, aber auch davor sollte man sich hüten, es sei denn man will dominieren, was allerdings auch wieder Rückschlüsse zulassen kann.
Schade, dass Du der Meinung bist, dass ein Gedicht nichts verändern kann. Ich habe durch das Schreiben und Lesen besser „sehen“ gelernt und Fixiertes kann auch bedeuten, dass man es hinter sich lassen kann.
Ich gebe Dir aber Recht wenn Du schreibst, dass jeder der Stift oder die Tastatur benützt, sich darin üben sollte besser zu werden.
Geschreibsel überflutet die ganze Welt, man brauch nur mal eine Zeitung aufzuschlagen.
Wir sind hier ein Forum, in dem sich Mitglieder gegenseitig helfen sollten „besser“ zu werden. Ob es von Jedem angenommen wird sei dahingestellt. Zwingen kann man keinen, aber vielleicht gilt auch hier das Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“

So, nun gehe ich in die Sonne und lasse mich durch ein Buch wieder ein kleines bisschen verändern.
Heidi

Liebe Priska,

beim ersten Lesen glaubte ich noch, das Gedicht falsch verstanden zu haben. Deine Antwort auf Heidis Kommentar bestätigt mir meinen Eindruck.
Es handelt sich in der Tat um ein Pamphlet gegen die reimenden Dichter. Glaubst du wirklich, nur weil du auf Reime verzichtest und mit der Interpunktion willkürlich umgehst, auf Dichter herabsehen zu dürfen, die mit Herzblut alte und wunderschöne Strophenformen mitsamt ihren Hebungen und Satzzeichen am Leben erhalten? Hast du den Gral der Lyrik gefunden?
Eine Frage: Wo ordnest du deine Verswelt ein, wenn die Welt der Reimenden aus deiner Sicht auf eine Briefmarke passt?

Zum Gedicht: Die Aussage ist deutlich, die Formulierungen sind nicht außergewöhnlich, die Form ist mittelmäßig. Nebeneinander geschrieben gingen deine Verse auch als Kurzprosa durch, läsen sich vielleicht sogar besser.
Die Interpunktion ist fehlerhaft. Deine zu anderen Werken dafür vorgebrachten Erklärungen, dies sei etwas Besonderes, greifen schon lange nicht mehr, sind allmählich langweilig. Sie werden hauptsächlich von denjenigen Dichtern als „Stilmittel“ bezeichnet, die unsere Interpunktionsregeln nicht beherrschen. Dein Hinweis, „Entweder richtig oder gar nicht“ gilt nicht für dich?
Liebe Grüße,
Heliane.

Hallo Medusa,

mein Gedicht soll sich gegen gereimte Gedichte wenden? Nanu, noch gar nicht bemerkt. Nein, es richtet sich gegen überhaupt nichts und niemanden. Es ist die Rückschau eines Lyrikers, der sich vom Schreiben einiges erhofft hatte und das nun nicht eingetreten ist, der sich eingestehen muss, dass viele große Vorsätze noch keinen Poeten ausmachen, dass ihm dazu wohl etwas gefehlt hatte, der also aus dem Wolkenkuckucksheim mit den Füßen wieder auf der Erde gelandet ist. Ich halte eine solche Selbsterkenntnis durchaus für ein legitimes Thema für ein Gedicht, zumal wir hier ja unter lauter Poeten sind, die dieses Thema interessieren könnte, die sich vielleicht sogar selbst einmal mit ihm beschäftigt haben. Ich bin auch nicht die erste, die zu diesem Thema schreibt, dafür gibt es sogar von sehr prominenten Schriftstellern Beispiele, dass sie nämlich an einen Punkt kommen, wo sie das ganze Schreiben für sich in Frage stellen. Das ist ein ganz normaler menschlicher Vorgang. Ich verstehe, ehrlich gesagt, deine Entrüstung, die aus deinem Kommentar spricht, nun gar nicht. Lies noch mal, dann entdeckst du sicher den "roten Faden", der sich durch das Gedicht zieht.

Hallo Klatschmohn,

wenn du sagen würdest: Ich bin durch das Schreiben innerlich gewachsen, habe mich für mehr als bisher interessiert - das würde ich auch für mich absolut bejahen, und natürlich gibt es dadurch auch eine Veränderung in der Persönlichkeitsentwicklung. Inwieweit aber das Schreiben als solches dazu beigetragen hat - wer kann das messen? Ich habe das Gefühl, dass das Schreiben das Leben bereichert hat - das wäre für mich eine Aussage, die ich ganz unterstützen würde. Aber die Welt verändern, liebe Klatschmohn, das tut leider kein Gedicht. Wie gesagt, Literatur kann Langzeitwirkung haben, aber eine aktive Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse kann sie direkt nicht bewirken. Mit diesem Problem haben sich schon etliche Philosophen beschäftigt und sind zu keinem positiven Ergebnis gekommen.

Priska

Liebe Priska,
ich habe nie behauptet, dass Gedichte die Welt verändern. Ich kann nur von mir berichten, dass es für mich Gedichte gibt, die mir halfen über bestimmte Sachen hinwegzukommen, oder die mich auf ganz neue Gedanken brachten, was dann durchaus zu Veränderungen in meinem Leben geführt haben.
Oder anders ausgedrückt, ich glaube schon dass Gedichte ihre Wirkung erzielen, aber nie und nimmer die Welt verändern können.
Heidi

Da sind wir doch einer Meinung, Klatschmohn. Mich beeindruckten, als ich sehr jung war, einige Gedichte Brechts zum Beispiel in diesem Sinne, den du beschreibst, allerdings muss ich zugeben, dass sie nicht direkt bewirkten, dass ich etwas in meinem Leben änderte. Aufs Ändern stupste mich immer die Wirklichkeit.

Priska

Sicher gibt es verschiedene Möglichkeiten sich zu verändern, das heißt etwas einzusehen, aber das Tun ist natürlich immer eine andere Sache.
Für mich ist es wichtig Dinge zu schreiben, um sie anschließend dann besser loslassen zu können. Das ist auch Veränderung.

Liebe Grüße, Heidi

Sicher, Heidi, wenn man psychisch belastet ist, ist es manchmal gut, wenn man sich ablenken kann oder sogar so etwas wie ein Therapieangebot durch die Literatur erhält, das kann auch eine Funktion der Literatur sein, besonders des Gedichts, wenn man Wert auf ein gewisses Niveau legt und nicht zum Groschenroman greift. Aber ob das die eigentliche Funktion von Literatur ist, da bin ich mir nicht sicher.

Priska