Ein Anfang im Anfang - unvermörtelt bröckelt jede Idee eines „Weiter“. Die Verletzlichkeit ist abgerückt von Tagen, von Stunden, von dem unaufhörlichen Fortgang.
Sie schweigt, sie schreit und hat dem Eigensinn der Zeitläufte nichts entgegenzusetzen in der ihr eigenen Endlichkeit.
das Wort "Zeitläufte" ist recht alt und keine Neuschöpfung, es passt hier gut, da es das Geschehen innerhalb eines Zeitabschnitts impliziert.
Etwas problematisch scheint mir die Zeile "unvermörtelt bricht jede Idee", es stand ursprünglich "bröselt" statt "bricht", was ich sprachlich sogar besser fand, und "bricht" löst das Problem nicht, denn wenn etwas "unvermörtelt" ist, dann bricht oder bröselt es gerade wegen des nicht vorhandenen Mörtels nicht, sondern zerfällt oder bricht ein…
Am Schluss kam mir in den Sinn: "in der ihr eigenen Endlichkeit." statt "in ihrer eigenen Endlichkeit."
auch hier ist die Deutung schwierig, wenn man als Leser den vorgegebenen Schreibanlass nicht kennt. Durch H.J. kommt man übrigens vielleicht zunächst auf eine falsche Fährte…
Ansonsten bin ich begeistert, vor allem das seltene Wörtchen Zeitläufte hat’s mir angetan
ich habe vorhin vor lauter Einzelheiten zu sagen vergessen, dass du den Text meiner Meinung nach tiefgründig wendest, indem du den "Worte, die an der Zeit festhalten zu wollen" und "entsteht, während wir leben", die Vergänglichkeit des Lebens gegenüberstellst.
zu sehen was du aus dem gleichen Text gemacht hast, lässt dein Gedicht für mich erst einmal wie fremd dastehen, war die Grundlage doch gleich. Mein Hirn wirkt blockiert, doch die Worte der anderen helfen mir den Sinn zu finden. Vielleicht ist es wirklich die besondere Aufgabenstellung, die es mir noch schwer macht. Ich lasse mal sacken.
Liebe anna a Ich mag dein Gedicht und ich sehe und höre in den Worten immer noch Marica Bodrozić. Sie schreibt ja überwiegend Fließtexte und ein Gedanke nimmt den neuen an die Hand. Mir kommt es fast vor als ob du die Entstehung eines ihrer Gedichte, oder genau dieses Gedichtes beschreibst. Ich müsste jetzt nicht Zeitläufte lesen müssen. Aber das ist wohl anna a.? Liebe Grüße Ilona
Lieber Derolli, Thomas, Sanderling, Karlheinz und liebe Ostseemöwe,
ich gestehe, das Gedicht wirkt etwas geheimnisvoll und ich will euch gerne berichten, wie es entstanden ist. Seit Wochen beschäftigt mich eine tödlich verlaufende Erkrankung eines Bekannten, der mittlerweile auf der Palliativstation liegt und keine Sätze mehr formulieren kann. Wie drücke ich aus, was ich fühle, wenn ich an ihn denken, ihn, der vier Kinder hat, von denen eins noch in die Grundschule geht? Mir fiel überhaupt nichts ein, alle Bilder habe ich verworfen, keine Metapher schien zu passen, alles wirkte abgeschmackt und abgegriffen.
Als ich dann noch einmal den Text von Marica Bodrozić las, sprangen mir immer wieder bestimmte Wörter und Satzfragmente in die Augen ( sagt man das so?) : Ilona hat das treffend beschrieben, so nahm also ein Gedanke den Nächsten in die Hand und formte ein Gedicht.
Thomas, du hast recht, ich hatte erst bröckeln stehen, bevor ich es in "brechen" verwandelt habe, ich werde wieder das bröckeln einsetzen. Und ich danke dir sehr für den Hinweis auf die tiefgründige Wende, die du lesen konntest.
Was die Zeitläufte angeht, so ging es mir genauso wie Derolli, als ich das Wort zum ersten Mal las. Doch mit der Zeit habe ich mich an das t gewöhnt und finde, dass Zeitläufte ein Wort ist, dass erhaltenswert ist, eben weil es aufhorchen lässt.
Ich danke euch allen sehr ... für eure Kommentare, dafür, dass ihr euch auf diese experimentelle Aufgabe eingelassen habt, die mir wieder zeigt, wie schwierig es doch ist, sich von vorgegebenen Wörtern zu lösen und daraus etwas Eigenes zu entwickeln. Deshalb kann ich Sanderlings Rückmeldung auch sehr gut nachvollziehen.
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