Die Besonderheit ist die Anordnung der Worte pro Zeile: 5 / 4 / 3 / 2 / 1 / 1 / 2 / 3 / 4 / 5 - sieh, wie eine Sanduhr entsteht! Der Form folgend berichtet die Sanduhr in der oberen Hälfte von einem Ereignis. Zeit vergeht: Etwas geschieht, und das Erlebte verdichtet sich auf eine Erkenntnis - einen Moment - ein Wort (die 5. Zeile). Ausgehend von diesem Wort entwickelt sich in der unteren Hälfte eine neue Perspektive.
Einzige inhaltliche Vorgabe für den Text: Die Wörter in der 4. und 5. Zeile werden in der 6. und 7. Zeile wiederholt, beziehungsweise variiert. So entsteht der Eindruck, etwas spiegele sich. Tatsächlich gibt es ein Vorher und ein Nachher. (Schreibimpuls von Ilse Baumgarten und Jutta Beuke)
da hat dich deine Experimentierfreude auf eine Fährte gelockt, welche zu den Figurengedichten des gerne mit Formen spielenden Barocks führt - und seltsamerweise auch (aus einem mir noch nicht zugänglichen Grund) in der modernen Dichtung wieder hervor kam. Vielleicht weißt du warum.
Deine Gedicht erinnert mich an die Sanduhr , mit der ich vor ein paar Jahren gespielt habe, und die Derolli zu einem besonders lustigen Kommentar angeregt hat.
Die Frage, welche sich mir bei solchen Spielen stellt, ist die poetische Wirkung. Noch interessanter als das Spiel selbst schein mir nämlich, wie sich die poetischen Formen über lange Zeit entwickeln und herauskristallisieren, und auf diese Weise einen eigenen Charakter entfalten und eine bestimmte Wirkung erzielen, was ich z.B. bezüglich des Sonetts bei den "Reimformen" versucht habe darzustellen.
Wie ich es sehe, hast du die gestellten Baumgarten-Beuke-Bedingungen gut erfüllt und zusätzlich den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft geschickt gespannt. Ich frage mich aber, warum du zum zentralen Begriff das Wort "jederzeit" gewählt hast. Bezüglich dieser Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kommt mir spontan als Wesentliches in den Sinn, dass das "Ich" sich ohne Erinnerung auflöst, weshalb ich vielleicht diesen Punkt ins Zentrum der Sanduhr setzen würde. Aber mein Gedanke zeigt mir auch, dass diese Formgedichte dazu tendieren etwas zu viel Kopf zu haben.
O, je, das wurde jetzt recht lang, und ich höre auf, bevor es langweilig wird…
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