Prodromos

Mit abgetrenntem Kopf,
Derweil das Blut pulsend
Zu Boden sich ergießt,
Ungehemmt und unerhört,
Wenn zartes Schuhwerk ziert
Salomens Fuß beim tollen Hüftschwung noch,
Betrittst Du die, betrittst Du, toter Mann,
Der einst Du predigtest
Des kommenden Heilandes Neuerscheinen,
Betrittst Du sie, die Bühne, wieder...
- Nochmals Vorprogramm?

Lieber Karlheinz,
jetzt habe ich Schwierigkeiten, Prodromos ist in der orthodoxen Richtung ein Name für Johannes den Täufer, soweit so gut. Aber wo findest Du ihn nun neu wieder? Du stellst mich vor ein Rätsel. Selbsternannte Propheten gibt und gab und wird es immer wieder geben, aber wessen Prophetien sie letztlich verkünden, ist dann wohl noch eine ganz andere Sache.
Mit unprophetischen Grüßen,
Heidi

Liebe Heidi,

also selbsternannt sind ja wohl alle Propheten und Religionsstifter, sie behaupten nur das Gegenteil! Heute kommen sie auch oft völlig areligiös daher...
Als Vorgänger eines anderen, der da kommen wird, und mittlerweile nach Auffassung vieler Christen auch gekommen ist, war Johannes der Täufer schon ein Spitzenexemplar, nur dass ihm Salome dazwischen kam! Aber auch mit dem eigenen Kopf in der Hand, ist er für die Orthodoxie unverzichtbar und könnte in anderen Zusammenhängen mal wieder auftauchen!

Liebe Grüße aus der Abgeschiedenheit im äußersten Osten Europas
Karlheinz

Lieber Thomas,

die genannte Kombination ist auch nicht so ganz nach meinem Geschmack. Möglich wäre "schwallend" und "niederschießt". Was meinst Du? "Unzerstört" würde ich gerne durch "unerhört" ersetzen.

Vielen Dank für den Hinweis und herzliche Grüße, wo der wilde Asket sehr häufig in den Kirchen dargestellt ist
Karlheinz

Lieber Karlheinz, ein interessanter Text mit dem ich mich erst einmal in Ruhe beschäftigen muss. "Zu Boden niederschießt",(sich ergießt)?
LG Heike

Lieber Karlheinz,
"wallt" Blut, wenn es "niederschießt"? Ich glaube nicht. Dass es schießen kann, wenn der Kopf abgeschnitten wird, kann ich mir vorstellen, dass es wallt, eher nicht. Ist "wallen" nicht eine ruhige Bewegung?
Ich mag Heikes Vorschlag. Darum mein Tipp:
Derweil das Blut gurgelnd
Zu Boden sich ergießt,

Zum Inhalt: Mir wirds speiübel, denke ich an jene "Sendungsbewussten", die sich selbst in 21. Jh. von Gott berufen oder als direkte Nachfolger fühlen. Grad von ihnen geht unendlich viel Unheil aus!
Herzliche Grüße nach Samothraki aus Berlin, wo die Pappeln schon fast kahl sind,
Heliane.

Liebe Heike, liebe Heliane,

zunächst vielen Dank, dass ihr Euch mit meinem Text beschäftigt habt!
Meine Vorstellung bezieht sich auf die gängige Darstellungen des Vorläufers in der orthodoxen Ikonographie. Johannes schreitet frontal auf den Betrachter zu und trägt als Torso eigenhändig seinen Kopf auf einer Schale. Nicht Salome, wie bei Heliane, sondern er selbst trägt seinen Kopf! Bleibt man bei dieser Vorstellung, schreitet er wie einst Störtebecker noch als Toter auf den Gläubigen zu und aus dem Rumpf ergießt sich in pulsierendem Schwall der rote Saft, an dem Nosferatu seine Freude gehabt hätte.

Ich habe die entsprechenden Stellen leicht verändert, aber den rhythmischen Duktus beibehalten. Was meint ihr?

Liebe Grüße aus Samothraki, wo kopflose Gestalten modernen Zuschnitts in äußert dürrer Umgebung Feuer entzünden, weil das ja so romantisch ist
Karlheinz

Lieber Karlheinz, ich bin mir nicht so sicher ob man pulsend schreibt. Muss es nicht pulsierend heißen? Ich denke auch das es nur einen Schwall Blut gibt und nach dem abtrennen des Kopfes das Herz zu schlagen aufhört. Aber in einer Fiktion ist vieles möglich.
LG Heike

Liebe Heike,

obwohl es das Wort "pulsend" wirklich gibt, könnt ich auch schwallend oder noch besser schäumend schreiben. Findest Du das besser? Ob es nach einer Enthauptung nur einen Schwall gibt, müsste ich meine Oma fragen, die schon aber leider schon tot ist. Sie lebte mit ihrer Familie als Tochter des Gefängnisverwalters im Gefängnis. Im Hof war das Fallbeil aufgestellt, das damals vor 1900 noch fleißig benutz wurde.

Vielen Dank fürs aufmerksame Lesen
Karlheinz aus Samothraki

Lieber Karlheinz,
ganz sicher "schäumt" das Blut nicht. Ich glaube, das Herz pumpt noch kurze Zeit - es bleibt bestimmt nicht sofort stehen, die Information "Kopf ab" muss ja erst einmal dorthin gelangen - so dass dein "pulsend" durchaus richtig sein könnte .
Herzliche Grüße aus unserer stürmischen Hauptstadt, wo das Fallbeil schon lange abgeschafft ist,
Heliane

Liebe Heliane,
danke für Deine Rückmeldung, ich lass es jetzt so wie es ist!

Übrigens: Zumindest in der DDR wurde bis 1967 noch per Fallbeil geköpft, so lang ist das gar nicht her

Liebe Grüße
Karlheinz

Lieber Karlheinz, jetzt werde ich aber neugierig wie das nun beim Köpfen ist mit dem Herz.
Ich war nur wegen dem pulsend unsicher. Im Grund ist es ja egal ob möglich oder nicht, und mir gefällt so etwas ja eh, aber die Vorstellung das Salome, dann den Mund des Toten noch küsst, ist schon stark. Wie du siehst habe ich nachgelesen.

LG Heike

Liebe Heike,

was wäre die Bilderwelt des „fin de siècle“ ohne die Darstellung der Salome und ihren Todeskuss!

Danke und viele Grüße aus Samothraki
Karlheinz