Aufgeschlagen

Aufgeschlagen

Vielleicht interessiert die Eine oder den Anderen welcher Impuls diesen Zeilen vorwegging. Es war der Blick auf ein aufgeschlagenes Buch mit Tagessprüchen auf meinem Klavier, welches ich aus irgendeinem Grund fotografieren wollte.

Lieber Sanderling,

dein Gedicht ist ganz nah an einem wundervollen Klang! Es ist so schon wunderschön, doch der Klang hält noch etwas mehr im Geheimen zurück. Vorbei (v2) reimt binnig auf neu (v4), doch wo ist der vollendete Reim zu Bilder (v1) auf erkenne …. Diese herrliche Dissonanz macht mich irre.

Ich löse für meinen inneren Frieden so auf:

Im bunten Bummelzug den ich Leben nenne,
fliegen verblasste Tage innerlich an mir vorbei.
Lese darin wie im Buch, ohne feste Seitenzahl.
Altbekanntes seh ich neu, bis ich mich erkenne

Natürlich sind seine Worte vorher schöner, aber für mich sind sie eine offene Herausforderung - wie eine unvollendete Symphonie - es wird doch wohl einen geben der sie fertig schreibt ….

Liebe Grüße

Lieber Derolli,

herzlichen Dank für deine Resonanz. Ich hatte mir spontan nicht erlaubt an diesem kleinen Gedicht zu feilen, weil ich Sorge in mir trug es ginge dann ganz verloren, es ist so eins von den Gedichten die einen anfliegen, ohne dass man genau weiß warum.

Was meinst du zur Bearbeitung?
Viele Grüße

Lieber Sanderling,

Okay du forderst es ja gerade zu heraus, dich meiner unbarmherzigen Kritik zu stellen, na dann:

Die neue Bearbeitung ist komplexer, nicht tatsächlich besser. Aber das Ursprüngliche wirft eine mysteriöse Frage auf - und das liebe ich.

Ich glaube es liegt an V4 - fast automatisch springt mein inneres Auge zu einer Szene vor einem Spiegel, genauer gesagt ist es, da du oben v1 den Bummelzug erwähnst ist es eine Reflexion in einer Fensterscheibe, gesehen von einem schräg gegenübersitzenden Fahrgast. Der in die Böschung starrende hat neben der vorbei (v2 ein so wichtiges Wort wegen Klang und Bedeutung - ein Schlüsselwort das den Reim verdient den es in der Mitte von Vers 4 bekommt) rauschenden Landschaft, die Erinnerungen weckt auch immer sein eigenes Spiegelbild vor Augen.
Die mysteriöse Frage lautet: was weckt die Erinnerungen und wieso erkennt er sich selbst darin?

Daher gefällt mir der Singular in der Ersten Version besser, deutlich besser. Es ist für mich realistischer solche Erinnerungen für sich selbst zu wecken, als das sie gleich mehreren Personen gleichzeitig bewusst werden. Das geht auch (wenn man an einem bestimmten Schauplatz vorbeifährt, Kriegsflüchtlinge oder heimkehrende, oder Freunde die an ihrer Jugend vorbei rasen), aber dazu müsste man mehr ausholen.

Okay du siehst es bewegt sich einiges in meinem Kopf beim lesen der ersten Version.

Das Umblättern in einen neuen Vers zu packen ist klar eine gute Idee. Mir bedarf es des Umblättern aber garnicht weil ich denke es ist ein Symbol für abschließen mit einer Sache, das tut der Reisende aber nicht in meinen Gedanken er schlägt eher zurück …. Das Bild wird immer komplexer.

Also das Gedicht ist sehr fein wegen des Bildes. Anfangs hat mich der Klang herausgefordert, aber jetzt frage ich mich wie kann man all diese Gedanken noch deutlicher anstoßen.

Ja mit dieser vernichtenden Kritik will ich dich keines Wegs alleine zurücklassen, aber so bin ich eben, eiskalt und lyrisch verträumt.

Wenn du eine neue Version einstellst wäre ich begeistert, ich denke da ist noch ganz schön was drin, es kann für meinen Geschmack auch gerne eine zweite Strophe mit vier Versen neu entstehen.

Mir imponiert wie du dichtest es hat eine natürliche Einfachheit, die aber zuweilen Komplexität in sich birgt und fast jedes Mal ein Durchdenken fordert - das ist groß.

Vor kurzem hattest du schon solch ein großes Kleinod geschrieben, ich muss nochmal nachschauen, da gab es aber glaube ich keine Änderung … schluchz die hätte mich brennend interessiert. Ich seh nach und schreib es gleich hier hin, denn das ist ähnlich. Das Gedicht hieß: warten auf den Frühling

Liebe Grüße

Lieber Derolli,

nun stehe ich etwas auf dem Schlauch. - Ich glaube es wird für mich gerade etwas verkrampft. Lieber Derolli, wie wäre es, DU würdest dich einfach inspiriert fühlen es selbst so zu schreiben versuchen, wie dich mein Gedicht in seiner Urform inhaltlich inspirierte?

Ich gehe da im Moment auf jeden Fall nicht weiter dran. BLOCKADE! ;-)

Liebe Grüße
der Sanderling

Lieber Sanderling,

oh, entschuldige verwirren wollte ich dich nicht.

Und eine Schreibblockade auslösen - Schande über mich!

Ich wollte dir nur sagen das die neue Version, für mein Dafürhalten, einen besseren Klang hat, aber die erste für mich mehr hergibt, weil sie konkreter an einer Person festgemacht ist, was bei mir (in meinem völlig schrägen Kopf) mehr Bilder und deren Details zeichnet.

Wenn ich nur dichten könnte würde ich es tun, aber das überlasse ich gerne denen die es können - dir zum Beispiel.

Ich mag dieses kurze aber inhaltvolle Gedicht wirklich sehr.

Liebe Grüße

Lieber Sanderling,

ich grübele auch die ganze Zeit über dein Gedicht und habe folgende Gedanken:

Das Bummeln im Bummelzug und das Fliegen der Bilder widerspricht sich etwas für mich, trotzdem könnte es sein getreu dem Motto: Dunkel war’s, der Mond schien helle…. Aber dann kommt das Lesen und das bremst das Fliegen wieder aus, denn Lesen kann ich im Vorbeifliegen nicht… wie wäre es mit :

Wie in einem Bummelzug, den wir Leben nennen,
ziehen längst vergangne Bilder innerlich vorbei.
Wie in einem Buche, ohne Seitenzahlen, lese ich,
Altbekanntes wirkt so neu, bis wir uns erkennen.

Ich merke gerade, das ist auch nicht die Lösung: lesen wir? vielleicht… Ich merke, dass mir die Person in der dritten Zeile gefehlt hat, wenn ich ein “Ich” einsetze, irritiert mich das “ wir” , das plötzlich um die Ecke kommt.. Ich werde weiter grübeln..

Liebe Grüße

anna a.

Lieber Derolli,

"mach dir keinen Kopp", mir ist klar, dass du nichts negatives auslösen wolltest. Lass mir meine momentane Verwirrung ruhig, vielleicht entsteht daraus ja noch was und bleibe bitte mit deinen Kommentaren am Mann 😉.

Liebe anna,

ich finde schon dass auch im Bummelzug alles deutlich schneller "fliegt" als zu Fuß. Außerdem denke ich, bei solchen spontanen Texten wirft uns die Logik oft aus der Kurve. Bei der Ich-Form werde ich es wohl belassen und weiter schauen was geschieht.

Danke euch beiden!

Liebe Grüße
der Sanderling

Schwer sich so locker auszudrücken. Ist wie ein Taschentuch das unsere Erinnerungen aus dem Dunst des Nebels wischst.

MFG!

Hallo Robert,

entgegen deiner Vermutung war es leicht mich mit den Worten treiben zu lassen. Bei mir ist es eher so, kriege ich eine spontane Inspiration kann ich auch schreiben. - Was dabei heraus kommt ist aber nochmal eine andere Sache. Wie gehst du denn an Texte/Gedichte ran? Danke für deinen Kommentar.

Viele Grüße
der Sanderling

Die Leichtigkeit welche du erwaehnst kommt wohl nicht von ungefähr oder sprichst du eine generelle Ader an dir an die nur so lyrisch wie möglich sein kann? Bei mir lasse ich eine gewisse Energie agieren aus der heraus dann etwas formbares entsteht. In meinem kopf ist da so eine Ecke wo sich Texte mal langsam und mal schnell herausbilden;-)

MFG!