Novemberwelt

Liebe anna, lieber Sanderling,

und ich sage euch beiden einfach Danke für euer Verständnis.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Ostseemöwe,

vielen Dank für deine Hoffnungsgedanken. Ich war beim Militär, was mir nicht leicht war, da ich mir wegen meiner regen Phantasie nur zu gut vorstellen konnte, welches Handwerk ich da lerne. Aber selbst der Krieg kann und muss ethisch geführt werden, denn man kann keinen Krieg gewinnen, sondern nur den Frieden.

Das sage ich ganz ohne moralische Wertung. Und mir scheint, beide "Parteien" im Nahen Osten verstehen diese wichtige Wahrheit i.A. nicht oder wollen sie nicht verstehen, weshalb ich befürchte, dass wir nicht schnell zum erhofften Ende der Gewalt kommen werden.

Ich las gerade, dass der israelische Staatspräsident Izchak Herzog einen "erschreckenden Anstieg von Antisemitismus auf der ganzen Welt" sieht. Genau das befürchtete ich, als ich erfuhr, wie der israelischer Ministerpräsident Netanjahu auf den ekelerregenden Terroranschlag der Hamas regieren will. Als verantwortlicher Staatsmann muss man sich doch fragen: Was ist für Israel gewonnen, wenn der gesamte Gaza-Streifen besetzt ist?

Jetzt bin ich aber etwas zu konkret geworden, denn das Gedicht drückt ja eigentlich etwas viel Allgemeineres aus, was sich nicht nur auf den Nahen Osten bezieht.

Liebe Grüße
Thomas

Gerade schickt mir ein Bekannter einen Artikel aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2023, Nr. 271, S. 8 von Gil Murciano den ich euch mittelen möchte, da er sehr genau meiner Meinung entspricht.

Was für einen Sieg über die Hamas nötig ist

Wenn ich ein Bild wählen müsste, das Israels künftigen Sieg über die Hamas zeigt, dann käme es
nicht vom Schlachtfeld in Gaza. Es würde die Delegierten eines Gipfeltreffens zeigen, bei dem ein
regional-internationales Projekt entworfen wird, eine Art nahöstlicher Marshallplan für die
Entwicklung des Gazastreifens, des Westjordanlands und der israelischen Grenzgemeinden. Die
Teilnehmer würden aus den Staaten der Abraham-Abkommen kommen, aus Saudi-Arabien, der
Palästinensischen Autonomiebehörde, den USA und der EU - und sie würden sich im
wiederaufgebauten Kibbuz Be'eri treffen, wo mehr als 130 Menschen von der Hamas brutal
ermordet und viele weitere von ihr entführt wurden.

Der Gipfel wäre ein Symbol, dass nach den unbeschreiblichen Gräueltaten der Hamas vom 7.
Oktober das Leben wieder beginnt. Er wäre Start für einen Verhandlungsprozess mit der
Autonomiebehörde, um das zu erreichen, was Hamas, Iran und dessen Stellvertreter verhindern
wollten: eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und der arabischen Welt, eine
Wiederbelebung des politischen Prozesses mit den gemäßigten Palästinensern, die an der Seite
Israels leben wollen, und die Errichtung einer breiten, von den Vereinigten Staaten gestützten
Front gegen Iran.

In der Diskussion unter israelischen Entscheidungsträgern, Fachleuten und Experten über die
Kriegsziele geht es bisher vor allem um die militärischen Ergebnisse. Das, was danach kommt,
bleibt außen vor. Die Tötung ranghoher Hamas-Funktionäre, die Zerstörung des riesigen
Tunnelnetzwerks und anderer wichtiger Objekte, all das sind Ziele, die der Hamas großen
Schaden zufügen, die aber Israels strategische Position nicht verbessern. Wenn man die
Verantwortlichen in Israel auf den Tag danach anspricht, nuscheln sie etwas über lokale Kontrolle
der Enklave, wollen darauf aber nicht näher eingehen. Aus gutem Grund: Es ist schlicht nicht ihr
Verantwortungsbereich.

Das Bild, das Israel von seinem Sieg in diesem Feldzug zeichnet, sollte eine veränderte politische
Realität widerspiegeln, einen grundstürzenden strategischen Effekt. Die Planung kann sich daher
nicht auf Gaza beschränken. Sie muss regionale und globale Ebenen einschließen. Sie sollte sich
mit den optimalen Bedingungen beschäftigen, um den Tag danach zu gestalten, basierend auf
zwei zentralen Parametern: Israels Sicherheit muss gewährleistet sein, und Iran und seine
sogenannte "Achse des Widerstands" müssen blockiert werden.

Eine politische Entscheidung sollte darauf zielen, ein regionales Sicherheitsbündnis zu schaffen,
das auf zwei Säulen fußt: einem erneuerten politischen Prozess zwischen Israel und den
Palästinensern und Sicherheitsübereinkommen zwischen den USA und den Ländern der Region.
Um diese ehrgeizige Vision zu verwirklichen, muss parallel auf drei Ebenen gearbeitet werden:
global, regional und israelisch-palästinensisch, wobei jede Ebene auf der anderen basiert.
Den Konflikt mit den Palästinensern zu lösen ist notwendig, um die Auseinandersetzung mit Iran
wirksam führen zu können. Die Ereignisse vom 7. Oktober haben die Illusion zerschmettert, dass
Israels Integration in die Region sowie eine regionale Stabilität gegenüber Irans Stellvertretern
erreicht werden können, ohne die Palästinenserfrage zu lösen. Dass eine relativ kleine
Terrororganisation wie die Hamas eine große regionale Konfrontation auslösen kann, macht mehr
als klar, dass ein effektiver Kampf gegen Iran nur möglich ist, wenn dessen Einfluss in der
"palästinensischen Arena" neutralisiert wird. Das ist eine zentrale Voraussetzung, um
Verteidigungsallianzen mit den Staaten der Region zu schließen, um die Unterstützung des
Westens sicherzustellen und - am wichtigsten - um die Einwohner Israels zu verteidigen.
Die Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung des Palästinenserkonflikts, um sich Iran
entgegenstellen zu können, ist das größte Hindernis für einen wirklichen Sieg Israels. Die
Herausforderung liegt nicht nur im Tunnelsystem der Hamas, der brutalen Geiselnahme Hunderter
israelischer Zivilisten oder der Bedrohung durch eine Intervention der Hizbullah. Sie liegt
zuallererst in der Unfähigkeit der gegenwärtigen israelischen Regierung, auch nur den geringsten
Fortschritt mit den Palästinensern zu erzielen. Die meisten Israelis wollen die Regierung - zu
Recht - stürzen, weil sie unfähig ist zu regieren und sie die Gesellschaft gespalten hat.
Aber der ungeheuerlichste Schaden, den die rechte Regierung in diesem Feldzug anrichtet, liegt
darin, dass sie die Israelis in eine Sackgasse führt. Mehr denn je ist dies die falsche Regierung zur
falschen Zeit. In einen Krieg zu gehen, ohne auf strategischer Ebene einen Mehrwert erreichen zu
können, ist so, als führe man einen Feldzug mit zwei gefesselten Händen und einem gefesselten
Bein. Diese Regierung, die es noch nicht einmal geschafft hat, auch nur symbolische
Zugeständnisse gegenüber den Palästinensern in Betracht zu ziehen, um eine Normalisierung mit
Saudi-Arabien zu erreichen, die es vorzog, die Hamas zu bestechen, um eine Wiederaufnahme
des politischen Prozesses mit den Palästinensern zu vermeiden, und deren messianische
Extremisten dieser Tage das Westjordanland in Brand setzen, ist das grundlegendste Hindernis
für einen wirklichen Sieg über die Hamas.

Der Autor ist Leiter des Israel Instituts für regionale Außenpolitik (Mitvim) und Dozent an der Hertie
School Berlin.

Liebe Ostseemöwe,

heute erste ermutigende Anzeichen. Vielen Dank.

Liebe Grüße
Thomas

Lieber Henddrik,

vielen Dank für dein Lob.

Liebe Grüße
Thomas