Sprachtreff am runden Tisch

Am runden Tisch versammeln sich zum Plaudern,
die Leila, Ali, Mohmed, Artem, Kadim
auch Hamza, Fath und Samdi warten freudig.
Die Worte finden sich im Kreisgespräch
und häufig ist die Sprache unvermörtelt.

Gedanken hüpfen, tauschen ihre Plätze.
Der Ort verändert oftmals unsre Sicht,
gleichwohl wir lernen immer voneinander.
Und mit den Klängen fremder Worte fließt
beharrlich ferne Denkart ins Begreifen.

Der Zimmerhimmel weitet sich mit Hamza,
sie malt ihr erstes Schriftbild, ihren Namen
in meiner Sprache. Setzt an Striche, Kringel,
erzählt von ihren großen Lebenswünschen.

Sie malen alle bunte, feine Häuser
aus Worten wachsen kühne Lebenssprünge.
Die Sprache ist nur Mittler fürs Verstehen,
zugleich ist sie das Wasser vieler Träume.

© llona Pagel

liebe anna a.
vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich werde Dir gerne deine Fragen beantworten.

Zitat von anna a. im Beitrag #6

---

Wie bist du beim Schreiben deines Gedichtes vorgegangen? Das würde mich nochmal interessieren. Denn auch ich finde die Beschreibung dieser konkreten Situation, aus der dann wiederum die letzte Strophe quasi der Erkenntnis hervorgeht, sehr berührend, eben, weil sie eine Begegnung von Mnesch zu Mensch zeigt.

Vielen Dank dafür und liebe Grüße ... ach und kannst du uns bei Gelegenheit einmal was von deinem Sprachtreff erzählen?

anna a.

---

Beim Lesen des Textes ist mir sofort der Sprachtreff vom Verein in den Kopf gekommen. Wie auch Thomas hat mich der Satz von der Verletzlichkeit, die wir wagen müssen, sehr inspiriert. Ich hatte das Gefühl Marica Bodrozic mit zunehmen in unsere Runde. Ich wollte ihr erzählen, wie es ist, und was es bedeutet
immer wieder neue junge Menschen am Tisch zu haben.
Und ich fühle diese Verletzlichkeit der Seelen, meiner Seele und die der jungen Migranten. Jeder gibt doch am Tisch soviel Preis.
Und damit komme ich schon zur Aufgabe, die wir uns als Verein gestellt haben. Wir möchten die Menschen, die zu uns kommen, ein Stück ihres Weges begleiten.
Gegründet hat sich der Sprachtreff aus der erkannten Notwendigkeit heraus. Die Flüchtlinge, denen wir zuerst nur Sachspenden zukommen, lassen haben, fragten nach Deutschunterricht im Jahre 2015. Da haben sich einige pensionierte Lehrer gefunden, aber auch Studenten und nach und nach merkten wir, jeder kann „Deutschlehrer“ sein und helfen, wenn er ein „Herz für Flüchtlinge“ hat. So war der Anfang und dann ab dem Jahr 2017 hatten wir im Durchschnitt 40 „Schüler“ und 5 bis 6 Lehrer.
Zu uns kommen die Menschen immer freiwillig. Wir machen offene Sprachtreffs und sind an keine Stundenpläne und Kurse gebunden.
Natürlich versuchen wir die Menschen in Deutschkurse zu vermitteln. Deutschkurse bedeutet in Deutschland ein Zertifikat zu bekommen. Das ist für alles ganz wichtig, für die ganze Lebensplanung. Die meisten haben bereits ihren ersten Kurs, wenn sie zu uns kommen. In den Kursen lernen sie aber zu wenig die Umgangssprache, sie haben bei den Klassengrößen keine Zeit für Übungen, keine Zeit um Deutsch sprechen zu üben. Die Menschen kommen aus Somalia, dem Sudan, Eritrea, Mauretanien, Syrien, Iran, Irak, Afghanistan, Ukraine, Russland, Peru, Türkei.
Alle Menschen sind bei uns gleich, egal wie und warum sie nach Kiel und zu uns gekommen sind, egal wie alt. Unsere einzige Regel ist, jeder hat jedem mit Respekt und Höflichkeit zu begegnen.
Und es funktioniert, wir „Lehrer“ sprechen nur Deutsch, aber behelfen uns oft mit dem Translator. Wir versuchen jedes mal aufs neue, homogene Gruppen an einen Tisch zu setzen. Homogen bedeutet ungefähr vom Sprachnivau gleich zu sein und wir achten darauf auch hier nach Möglichkeit die Herkunftsländer nur am Rand zu beachten.
Inzwischen haben wir genug Lehrer für 3 Tage in der Woche. Manchmal kommt auch eine Jugendgruppe, eine Studentengruppe, ... und wir können eine 1:1 oder wengstens eine 1:3 Betreuung machen. Die Menschen kommen mit dem Wunsch viel Deutsch zu hören und zu sprechen zu uns. Sie kommen mit Hausaufgaben, sie kommen mit Formulare und bitten beim Ausfüllen um Hilfe. Sie möchten mit uns Bewerbungen schreiben, sie möchten für die Fahrschule lernen. Alles versuchen wir zu machen, aber wir dürfen und sagen auch NEIN, wenn es eben nicht möglich ist.
Wir müssen auch immer erklären wir sind kein Amt, wir können keine Wohnung besorgen. ....
Wir sind 50 Mitglieder im Verein und es gibt die Fahrradwerkstatt, die Nähstube, die Spendenannahme (jetzt nur für die Ukraine) und unser Sprachtreff, den ich seit 3 Jahren leite.
Ich hoffe ich habe nicht zu ausführlich geplaudert, aber es ist nun einmal mein Herzensprojekt.
Liebe Grüße Ilona