Resonanz

Lieber Sanderling,
Bitte sei mir nicht böse, aber dieses Gedicht ist so unkonkret, dass ich rein garnix damit anfangen kann. Nur die Aussage

Zitat

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in mir wachsen Stufen

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suchen sich meinen Gedanken einen Raum zu offnen.

Liebe Grüße

Derolli

Lieber Derolli,

um es vorweg zu nehmen, natürlich bin ich dir nicht böse, schließlich bist du einer derer, die immer exellente Kommentare schreiben. Und mit deinem Kommentar reagierst du einfach ganz unverblümt, das ist sehr wertvoll.
Ein paar Worte zur Entstehung. Wie du weißt, stellen wir Glühbirnen uns alle drei Wochen eine Aufgabe. Diesmal lautete diese: lasse dich von einem Prosatext zu einem Gedicht inspirieren. Hier der Text:

"In mir…
In mir sind innere Stufen. So wie wir Glocken hören können, kann ich die Stufen in mir sehen. Ich bin noch mitten im Leben. Gerade jetzt sehe ich, wie der Anfang im Anfang entsteht und mich zu seinem selbstlosen Komplizen macht. Unvermörtelt soll meine Sprache sein. Die Worte wachsen heran, und ich spüre, wie in den letzten paar Stunden alles in mir davon abgerückt ist, mich an der Zeit festhalten zu wollen. Ich überlasse mich dem Eigensinn der Jahreszeiten. Mein Zimmerhimmel sagt, wir sind nicht so vorgesehen wie die Sterne, wir müssen die Nähe der Verletzlichkeit wagen. Unsere Sprache, diese ins Weite gesetzte kosmische Buchstabenküste, entsteht erst, während wir leben. Kaum ist sie da, verfliegt sie ins Innere der Zeit. Es istfolgt auf jede Formel ihre Auflösung."
aus: Maric Bodrozic, Das Wasser unserer Träume, Luchterhand Literaturverlag, 2016, S.11

Nichts desto trotz, ein Gedicht sollte aus sich heraus einen Sinn entwickeln. Und wenn du ihn in meinem Gedicht nicht erkannt hast, ist das für mich ein wichtiger Hinweis.

Liebe Grüße
der Sanderling

Lieber Sanderling,

wie gut, dass wir durch unseren Olli, der sich hier wiedermal als aufmerksamer Leser und Kommentator erweist, auf ein grundlegendes Problem hingewiesen werden: der Leser kennt nicht die Aufgabenstellung und kann daher nicht beurteilen, in wie weit die Aufgabe bewältigt wurde.
Ein abstrakter Text, wie diesmal, der als Schreibanlass dient, macht das besonders schwierig.
Mir scheint für die Deutung deines Gedichtes das Wörtchen „Fang“ als Schlüsselwort sehr wichtig. Es bedeutet sowohl die Summe der eingefangenen Worte, als auch das Fangwerkzeug, nämlich die Fänge eines Greifvogels …

Herzliche Grüße aus Lüli
Karlheinz

Lieber Sanderling
auch ohne Derolli Kommentar fehlt mir hier das Gefühl der Resonanz.
Dieser Widerhall wird mir durch den Titel suggeriert.
Und automatisch suche ich diese Resonanz zwischen den Zeilen und ich finde sie nur sehr abstrakt.
Hast du es so gewollt, dann ist es dir gelungen.
Liebe Grüße Ilona

Liebe Ostseemöwe,

danke für deinen Eindruck. Ich glaube, das ganze ist vom Urtext so sehr komprimiert und dann noch zusätzlich konstruiert, dass es ihm deshalb vielleicht nicht gelungen ist dich zu erreichen. - Ich hatte schon eine deutliche Intention, aber wenn sie nicht gelesen, bzw. entdeckt wird, ist das leider eben so.

Liebe Grüße
der Sanderling

Lieber Carlino,
lieber Thomas,

eure Deutungsversuche will ich gar nicht bestätigen oder dementieren, zu sehr habe ich mit dieser Aufgabe wohl doch "geschwommen". Thomas, MeeresZEITEN entstand nur, weil ich ..."weiten" nicht zwei mal schreiben wollte. Das habe ich jetzt aber wieder geändert, auch wenn sich dadurch "weiten " wiederholt.

Liebe Grüße
der Sanderling

Liebe Gabi,

danke für deine Sicht auf mein Gedicht.
Ich fände das öffentliche Einstellen der Aufgaben eine gute Idee, denn nur so bekommen die anderen Mitglieder ja mit was sich beim Kreis der Glühbirnen tut und bekommen vielleicht Interesse mal mit zu machen.

Liebe Grüße
der Sanderling

Dem stimme ich gerne zu

@ Lieber Sanderling,

zunächst einmal vielen Dank, dass du dich auf meinen Schreibimpuls eingeladen hast. Das Wort "Impuls" gefällt mir übrigens besser als das Wort "Aufgabe" , denn ich sehe das nicht so, dass wir diese Aufgaben richtig oder falsch lösen, sondern vielmehr, dass wir an unseren Aufgaben wachsen und uns weiter entwickeln.

Nach der Resonanz habe ich in der Tat auch in deinem Gedicht gesucht, ich fand allerdings die Zeilen "es löst sich die Zeit aus meinem Fang" sehr interessant und sah da vor meinem geistigen Auge, wie sich Minuten und Sekunden aus einem engen Korsett aus Pflichten und Taten mogeln. Das gefiel mir sehr.

Die folgenden Zeilen "in mir wachsen Stufen heran/ Sie schwingen wie /Glockenklang." empfand ich hingegen eher als Bruch. Aber das liegt vermutlich daran, dass ich bei dem Begriff "Stufen" stets Betonstufen sehe und die schwingen nun ganz und gar nicht.

Das Verb "treiben" greift für mich wieder das Zeit - gelöste auf, das Treiben zwischen Meeresweiten und Sternen unterstreicht das. Vielleicht hätte ich die Weiten des Meeres geschrieben, um die Weite in den Vordergrund zu rücken, aber das ist Geschmackssache.

Wärme und
Stille suchend
im Winter,
durch Worte und Nähe
in kosmischen Weiten.

Bei der letzten Strophe hätte ich auf die Adjektive verzichtet und mich vielleicht nur für eine Jahreszeit, zum Beispiel den Winter entschieden. Die suchende Bewegung greift das Lösen der Zeit sowie das Treiben auf und das ist es, was für mich die Essenz des Gedichtes ist: eine suchende Bewegung, losgelöst von Raum und Zeit. Mir gefällt das sehr gut.

Mit meinem Schreibimpuls wollte ich herausfinden, ob wir uns gut von vorgegebenen Texten lösen und Eigenes entwickeln können. Wie sehr hallen Sätze in uns nach, leiten und lenken uns Worte zu einem bestimmten Bild hin? Interessant wäre es jetzt, diesen Impuls zu modifizieren und a) ein Gedicht aus vorgegebenen Impulsworten zu entwickeln, um dann b) ein Gedicht aus nur einem Impulswort zu verfassen und als Letztes c) ein Gedicht zu schreiben mit vorgegebenen Impulsworten und einem vorgegebenen Rhythmus. Würden wir dann alle bei ähnlichen Gedichten landen? Das frage ich mich an dieser Stelle und grüße dich herzlich

anna a.


@ Liebe Gabi, das finde ich eine tolle Idee. Vielen Dank dafür und liebe Grüße

anna a.

Liebe anna,

nach deutlicher Verdichtung des Urtextes habe ich in meinem Gedicht versucht eine eigene Richtung zu finden. Das suchende LI wollte ich keineswegs auf eine Jahreszeit reduzieren. Und zu den klingenden Stufen möchte ich dir gerne folgendes sagen: Als ehemaliger Marimbaphon -Spieler interessiert mich besonders der Klang von Stufen. Und würdest du mich manchmal beobachten, dächtest du vielleicht ich hätte einen "Hau". Manchmal habe ich Mallets "im Gepäck" und schlage hiermit unterwegs, z.B. in Museen Stufen an, um ihren Klang hören zu können. Die Musik lebt von "klingenden Stufen", und da ist noch nicht einmal Beton ausgeschlossen ( je nach Konstruktion...es muss halt frei schwingen können)
Wieder einmal scheint es sich zu beweisen, dass auch der Sinn von Worten sich erst aus einem Kontext ergibt, den die Leserin aber halt manchmal nicht kennt und daher in ihrer Vorstellung auf Grenzen stößt. Aber ein Gedicht darf ja auch anregen verdecktes zu entdecken und unmögliches für möglich zu halten.

Abschließend kann ich dir aber noch sagen, dass die Gedichte, die in mir durch einen eigenen Erlebnis- oder Vorstellungsansatz entwickelt wurden, für mich einfacher sind, als sich wie dieses mal über ein mir fremd wirkendes Wort- Konstrukt einen neuen Inhalt zu schaffen.

Liebe Grüße
der Sanderling