Die Eierfraa von de Lido-Baa

Lieber Carlino,

ein Zeugnis der Zeit auf hessisch, wahnsinnig gekonnt und unterhaltsam geschrieben. Ich bewundere deine Gabe Geschichten zu erzählen. Und realisiert man erst einmal die Nachkriegszeit, als zeitliche Ebene, so wirkt die Empörung über das Fremdgehen der Ehefrau sogar satirisch verständlich, dass sie dies mit einem, zur damaligen Zeit noch häufig "Neger" genannten Schwarzen "vollzog". Deswegen trat offenbar das eigentliche "Vergehen" in den Hintergrund.

Das ist schon sehr pointiert auf die Spitze getrieben. - Auch meine, sich anfänglich aufgestellten Nackenhaare, legten sich dann schnell wieder, als ich begriff, was du da angestellt hast.

Für mich eine gelungene Umsetzung der Aufgabenstellung, mit politisch-geschichtlichem Aspekt.

Liebe Grüße
der Sanderling

lieber Karlheinz
ein Zeugnis der Wirtschaftswunderzeit hast Du hier in ein unterhaltsames Gedicht, ja sozusagen als geschichtlichen Abriss gepackt.
Meine Lieblingszeilen:

„Itzibitzitieniewienie
honolulustrandbikini“,
„Schöner fremder Mann“ - un so,
hör isch des, muss isch uffs Klo…

Nach den Kriegsjahren wollten alle raus aus dem Elend und wenn es nur eine "Platte" lang dauerte das aus.
Aber Lilo hat es nur zum Eierlikör und Salat geschafft.
dein Gedicht musste ich mehrmals lesen um die Schwere zu erfassen.
Ich bin überzeugt, dazu beigetragen hat auch die Mundart. Sie macht schwere Texte verdaulicher .
Liebe Grüße Ilona

Oha, Carlino,

eine Rückblick-Milieu-Studien-Glanzleistung. Mit dem Dialekt hatte ich keine Probleme,
und ich stelle fest, dass Dialekt auch Unschönes erträglich macht.

Gefällt mir sehr gut. Gelungen.

Liebe Grüße
Clara

Lieber Karl-Heinz,

mir fällt auf, dass Geschichten im Dialekt oft mit einem Augenzwinkern einhergehen. Liegt das vielleicht auch an den häufig verdrehten grammatikalischen Wenndungen wie "nie niemand nedd bedrüüsche!" oder im Berlinerischen " Nachtigall, ick hör dir trapsen?" oder im Mainzerischen die Doppelungen wie "Fläschche Flaschebier" oder "Schiffsche Böotsche". Diese Frage stelle ich einfach mal in den Raum.

Auch hier passen wieder Inhalt und Dialekt zusammen, weil es um eine Beobachtung in einem Milieu geht, in dem vermutlich Dialekt gesprochen wird. Interessant wäre es, ein Experiment zu starten, in dem ein König zum Beispiel , auf einmal in seinem Dialekt eine Ansprache an das Volk hält. Wie würde das wirken?

Mit dem Hessischen hatte ich keine Schwierigkeiten und mit de Eierfraa von de Lido-Baa aach net... wie sie wohl ausgesehen haben mag?

Liebe Grüße

anna a.

Lieber Sanderling,

erst einmal vielen Dank für deine differenzierten Gedanken und dein Lob! Nescher war damals tatsächlich die gängige Bezeichnung für Schwarze und wir sollten nicht vergessen, dass Neger im Grunde auch nichts anderes bedeute als Schwarzer, also ursprünglich nicht gleich abwertend gemeint war…

Liebe Ostseemöwe,

Mundartliches, da hast du recht, kommt erst einmal lockerer rüber. Auf der nächsten Ebene aber hat der Dialekt oft etwas äußerst Aggressives und Hinterfurziges. Solche „Karrieren“ waren bei Frauen der Kriegs- und Nachkriegsjahre gar nicht so selten und oft kassierten die Männer, wenn sie überhaupt noch oder wieder vorhanden waren, die Frauen ab. Auch wenn es sich um ehrbare Tätigkeiten handelte, landeten die meisten später im Hausfrauenelend, nicht zuletzt, weil es viele Männer so wollten. Häufig hörte man damals die Worte: „Meine Frau hat es nicht nötig arbeiten zu gehen“ …

Liebe Clara,

auch dir danke ich sehr für dein schönes Lob!

Lieber Thomas,

du sagst es, Ironie und gern auch mal Selbstironie sind für mich äußerst wichtig und wahrscheinlich auch typisch

Liebe anna,

du sagst es zurecht: grammatikalisch verdrehte Redewendung gehören zum MundART Repertoire unbedingt hinzu und wirken zunächst witzig…
Wenn Könige, wie du vorschlägst Dialekt sprächen, käme das vielleicht bei einigen Untertanen gut an, bei anderen eher nicht. Man darf nicht vergessen, dass das Volk, zu dem sie sprechen, in der Regel verschiedene Dialekte spricht, so dass sich einige vielleicht ausgegrenzt fühlten. Sicherer ist, wenn der König auch sprachlich Abstand hält und eine gehobene Sprache spricht, die angeblich alle verstehen…Beim Kaiser Franz Joseph war das allerdings etwas anders, er sprach ein dialektal eingefärbtes Deutsch…
Die Eierfraa war übrigens eine Kunstblondine und trug das Haar zunächst lang und hochgesteckt, später dann marktgerecht angepasst sturmsichere Dauerwelle…

Euch allen ein herzliches Dankeschön aus Samothraki
Karlheinz

Lieber Karlheinz,

und ich wette mit dir, sie hatte die Lippen mit einem knallroten Lippenstift nachgezogen, vielleicht einen betonten Lidstrich und die Haare waren mit Sicherheit toupiert - das hattest du noch vergessen...

Liebe Grüße

anna a.

PS: Ich beobachte im Moment Habecks Kommunikation bei den Interviews. Dabei fällt mir auf, dass er sich "der Sprache des Volkes " bedient - nee, Alter, das bekommst du nicht - allerdings nicht in anbiedernder Art udn Weise, sondern eher subtil. Und mir fällt auf, dass er gerne Metaphern benutzt, weil die bei den ZuhörerInnen Raum lassen für eigene Interpretation. So denke ich das jedenfalls. Vielleicht sollten wir mal in einer Art Listentext mundartliche Metaphern zusammentragen und daraus dann Gedichte formen.

Ich fange mal an:

Huch, Agathe, die Puppe kotzt.

Dit zieht wie Hechtsuppe!

Pass ma uff Keule!

Ick lach mir’n Ast.

so oder so ähnlich...

Liebe anna,

genau, hochgesteckt un tuppiert allemal un des hadmer Banan genannt, weils desso aussah…

So un jetz noch paar scheene Ausdrügg:

Jetz sei doch nedd so e Tranfunzel un gej endlisch weider.
Du benimmst disch allsemol wahrhaftisch wie e Wutz!
Jetz awwer zaggisch. Isch will hoam.
De Kall is als schlambabelisch. Isch muss dem ständisch alles hinnerherdrache.
Du hoaschd wohl gedenkt, isch deed verliere. Peiffedeggel!

Hetzlische Grüß ausm Süde
Kalleins