Unerkenntnis

so fern dem Alltag, fern den Stuben und den Leuten.
Sag mir, warum des Nachts die Glocken läuten?

Ich flieg zurück zu allen jenen Leuten.
Sag mir, warum sie mir so viel bedeuten?

Liebe Clara,

voller Fantasie erlaubst du deiner Hauptperson zu fliegen, leicht zu sein und sich hierdurch vom Alltag zu distanzieren. Gekonnt verstehst du es dabei, deine Strophen offen ausklingen zu lassen. Fragezeichen zu setzen, statt Mauern von Behauptungen. Die fünfhebigen Jamben tragen mich förmlich durch die Stimmung deines Gedichtes, zwischen Traum und Wirklichkeit. Manchmal brichst du ihn aber, vielleicht unbeabsichtigt?

Für diesen Fall ein paar kleine Änderungsvorschläge, die zu einem rhythmischen Gleichmaß führen würden:

"Im Wald steig ich des Nachts auf hohe Bäume,
entflieh der lauen Stadtluft und dem Lärm.
Ich schwing von Ast zu Ast, leb meine Träume,
flieg über Tannenwipfel, ach so fern,
so fern dem Alltag, fern den Stubenleuten.
Sag mir, warum des Nachts die Glocken läuten?


Am Firmament, da schimmern helle Lichter,
der Nachtwind trägt zurück mich zu den Straßen
ich schwebe zu versteinerten Gesichtern
von Menschen, die zu leben längstens vergaßen.
Ich flieg zurück zu allen jenen Leuten.
Sag mir, warum sie mir so viel bedeuten?"

Ganz im Stil Mascha Kalékos gelingt es dir, den Moment der Widersprüchlichkeit des Lebens einzufangen, aufzubrechen und für den Leser freie schwebend im Raum stehen zu lassen, zwischen Tannenwipfeln, Lichtern und Träumen. Das ist sehr, sehr schön.

Liebe Grüße
der Sanderling

liebe Clara
ich bin begeistert von Deinem Gedicht.
Mascha Kaleko spielte gerne mit Fragen in ihren Gedichten.
Du tust es noch überhöhter und setzt mit dem Titel gleich eine Frage.

"Unerkenntnis", wir alle gehen täglich mit dem Wort Erkenntnis um. Dein Titel könnte also auch "Dummheit" lauten?
Haben die Menschen nichts gelernt aus ihrem Leben?
Kaleko, so mein Eindruck und ich denke auch Deiner hat viel geträumt. Sie ist der bösen Welt gerne entrückt.
Genau dieses bringst Du mit Deinem Gedicht zum Ausdruck.
Ich bin nicht wie Sanderling der Meinung, der Jamus sollte immer metrisch genau sitzen. Darauf legte Kaleko nur sehr selten Wert, oder sie beabsichtigte manchmal bewusst und setzte eine Zäsur.
Mich stört nichts im Lesefluß und ich mag auch die abgesetzten 2 Zeilen nach den Strophen. Sie bringen damit eine erhöhte Betrachtung zum Ausdruck.

Liebe Grüße Ilona

Hallo ihr lieben Drei,

ich fühle mich geehrt von eurem Lob.
Die unregelmäßige Hebungszahl war eigentlich Absicht.

Ich danke euch vielmals.
Clara

Liebe Clara,

ich bin ebenfalls hin und weg, denn ich sehe und höre Mascha Kalèko in jeder deiner Zeilen. Gerade höre ich nochmal von ihr gelesen das Gedicht " Ich bin als Emigrantenkind geboren..." und finde sehr viel Mascha in deinen Worten. Vielen Dank dafür.

Liebe Grüße

anna a.

Danke liebe anna,

mehr Kompliment kannst du mir kaum machen.

Liebe Grüße
Clara

Liebe Clara,

dieses Gefühl, genau dieses kenn ich aus Träumen, die sich ab und zu einstellen, ohne dass ich einen besonderen Grund oder Anlass zu nennen wüsste…

Sehr sehr gerne gelesen!
Herzliche Grüße aus Samothraki, wo das Fliegen über Klüfte, Wald, Ginster, Wasserfälle und Meer hinwegträgt…
Karlheinz

Vielen lieben Dank für das überaus positive Feedback.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass mir dieser Gedichtstil einfach zugesagt hat.

Liebe Grüße nach Griechenland
Clara

Hallo Clara,
ich kann den Gleichklang der Glocken (Alliterationen etc.) gut hören. Auch wenn der Text etwas schwermütig wirkt, trägt er einen mit weiten Schwingen.
Gern Mitgeschwebt und LG
Perry

Dankeschön, lieber Perry,
für deinen netten Kommentar.
Meine Freude darüber ist groß.

Liebe Grüße
Clara