Ich wag es nicht zu denken und zu sagen: Die Welt geht aus dem Leim in diesen Tagen. Das ist nicht gut, es ist sogar gefährlich, das sollte ich, wenn ich doch könnte, wagen zu sagen. Doch ich schweig, was besser ist, als sich mit Faktencheckern rumzuschlagen, die aus dem Mist der Mietmaulargumente die Weisheit mundgerecht zusammentragen. Ich schweige, doch die Wut wächst unerträglich, ich könnte täglich hilflos um mich schlagen, und wüsste, dass es doch nichts ändern würde. Die Welt geht aus dem Leim. Was soll ich sagen?
Lieber Thomas, dein Ghasel zeigt sich für mich die deutlich wieder erkennbare Form des Ghasel. Zu Beginn ein Paarreim dann jeweils eine Zeile mit wechselnden, freien Endungen und fünf Hebungen pro Zeile. Das Thema ist so aktuell, dass ich es auf viele Phänomene unserer Zeit beziehen kann, ohne diese hier aufführen zu wollen. Das Enjambement stellt für mich zwar spontan einen Bruch im Fluss dar, ist aber stilistisch wahrscheinlich gewollt ist um wachzurütteln (?). Der Titel ist gut gewählt und umgesetzt. Die Abschlusszeile variiert Zeile zwei gelungen und bringt die Hilflosigkeit noch einmal auf den Punkt. Auch wenn klassische Metaphern fehlen, sehr gelungen.
vielen Dank.ja, Enjambement und Binnenreime sind Absicht, um die "Leier", welche die Form leicht erzeugt, zu vermeiden. Das entsprehcende Gegenteil wäre ein ghasel mit Refrainzeile. Etwa so:
Verhältnismäßig unfrei
So weit ist es mit uns gekommen. Die Freiheit wurde uns genommen, den Freund begrüßend zu umarmen. Die Freiheit wurde uns genommen, im Heim die Eltern zu besuchen. Die Freiheit wurde uns genommen, die Kranken Menschen zu besuchen. Die Freiheit wurde uns genommen, zu sagen wenn wir Queres denken. Die Freiheit wurde uns genommen, zu wissen was wir wissen müssen. Die Freiheit wurde uns genommen, die Angst und Panik zu besiegen. Die Freiheit wurde uns genommen, in Park und Stadt uns zu bewegen. Die Freiheit wurde uns genommen, Theater zu sehn und Konzerte zu hören. Die Freiheit wurde uns genommen, entspannt in Ruhe einzukaufen. Die Freiheit wurde uns genommen, in unverhüllte Gesichter zu sehen. Die Freiheit wurde uns genommen… Wir ließen es erst soweit kommen!
Das finde ich aber nicht so gut, obwohl es die Form anbietet.
bei den Mietmaulargumenten habe ich kurz überlegt, ob es nicht Mitmaulargumente sein könnten. Das Enjambement hat mich ebenfalls kurz irritiert, was aber nicht gestört hat. Sehr gelungen finde ich die Umarmung des Inhaltes durch denselben ersten und letzten Satz. Dieses Stilmittel unterstreicht den Wunsch nach einem Gehalten sein und Sicherheit, gleichzeitig aber auch zeigt er, wie hilflos das lyrische Ich ist, denn trotz aller Überlegungen endet es wieder bei dem Anfangssatz.
vielen Dank für deinen Kommentar, der ja fast eine kleine Textanalyse ist. Was du gefunden hast, entspricht ganz meiner Intention. Das mit dem Enjambement habe ich versucht Sanderling zu begründen.
Liebe Lilli, jetzt haben schon so viele dieses Ghasel gelesen und keinem fielen bisher die sechs Hebungen dieser Zeile auf. Ich denke nicht, dass es Absicht war und wie auch du, "sicher" ließe sich streichen. Bin gespannt was Thomas sagt. Liebe Grüße der Sanderling
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07.06.2021 07:50 (zuletzt bearbeitet: 21.06.2021 18:48)
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