Der Tag sinkt seinem Dämmern zu
und in das Rot der letzten Wärme.
Im zarten Licht der Abendruh
verweht der Tanz der Mückenschwärme.

In stiller Andacht steht der Baum
geheimnisvoll gehüllt in Schweigen,
als greife er den Weltenraum
mit seinen blätterlosen Zweigen.

In jener nebelkühlen Nacht
ist aus dem Moderblättergrunde
ein Buschwindröschen still erwacht,
noch vor dem Reif der Morgenstunde.

Den weißen Blütenkranz versteckt,
so völlig unsichtbar noch gestern,
hat es sich sacht heraus gereckt
und harrt der Anemonenschwestern.

Lieber Galapapa,

die Buschwindröschen sind ziemlich hinterhältig, alle Teile sind giftig. Als kleines Mädchen musste ich immer
einen großen Bogen drum machen und schon gar nicht pflücken .
Heute sehe ich sie etwas entspannter und freue mich an den zarten Blütenteppichen.
Wunderhübsch und sehr, sehr stimmungvoll hast du sie beschrieben; dein Staunen über das erste Köpfchen
ist ansteckend .
Deine Sprache ist schön flüssig, bringt hübsche Bilder und viel Vorfreude auf die ersten Frühlingsboten.

Sehr gerne gelesen.
Herzliche Grüße,
Medusa.

Liebe Medusa,
hab herzlichen Dank für Dein Lob!
Die Giftigkeit dieses Frühlingsboten stört mich wenig, da ich äußerst selten Blumen pflücke; Kinder muss man natürlich warnen, das Hahnenfußgewächs wird ja nicht umsonst auch "Hexenblume" genannt.
Die weißen Teppiche im Wald erscheinen mir jedes Jahr wie das Aufbruchsignal; danach fängt das Grünen richtig an.
Liebe Grüße!
Charly

Hallo Galapapa,

also mit der 3. Strophe ist dir ein ganz großartiges Stück Lyrik gelungen, traumhaft schöne, verwobene und weiche Sprache. Einfach toll!

Liebe Grüße

Hallo Derolli,
danke für Dein großes Lob!
Ich werde mir die Strophe nochmal genau anschauen, um zu lernen.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Charly,
was für ein wunderschönes, zartes und verträumtes Gedicht für das frühe Buschwindröschen, das sich da aus dem Waldboden gereckt hat.
Ich fühlte mich bein Lesen stark berührt, denn die Verse senden eine tiefe Ruhe aus.
Toll gemacht!.
Liebe Grüße sendet Dir, Heidi

Liebe Heidi,
schön, von Dir zu lesen! Herzlichen Dank für Dein schönes Lob!
Es ist eben diese Ruhe, die ich im Wald immer wieder finde und die ich zuhause vermisse.
Liebe Grüße auch an Dich!
Charly

Hallo Thomas,
danke für Deine lobenden Worte!
Zu Deiner Anregung bezüglich Abend/Nacht/Morgen möchte ich sagen, dass es meine Absicht war einen zuende gehenden Tag darzustellen, wozu beides, der Abend und die Nacht gehört.
In der dritten Strophe heißte es dann: "...in jener nebelkühlen Nacht...", was soviel bedeuten soll wie "in der darauf folgenden" Nacht. Von Morgen ist da nirgends die Rede. Im letzten Vers dieser Strophe heißt es ja dann auch eindeutig "noch v o r dem Morgen". Der morgenliche Reif entsteht kurz vor und beim Sonnenaufgang; das ist der Zeitpunkt der niedrigsten Temperaturen. Im Text heißt es "noch vor dem Reif der Morgenstunde" und damit ist eindeutig also die Zeit in der Nacht, vor dem Morgen gemeint. Von Strophe zu Strophe ergibt sich also ein zeitlicher Ablauf vom Abend in die Nacht hinein. Was daran problematisch ist, erschließt sich mir nicht ganz. Die beschreibene natürliche Szenerie ist hier keine Momentaufnahme, sondern ein Ablauf, was besonders deutlich wir, wenn man, Deiner Empfehlung folgend, die erste Strophe weglässt. Dann befindet man sich gleich von Anfang an in der Nacht. Um Deine Frage zu benatworten: Dass es sich bei der Aussage "in jener nebelkühlen Nacht" um einen Zeitpunkt morgens handelt ist also tatsächlich, zumindest für mein Verständnis, falsch.
Danke nochmal und herzlichen Gruß!
Charly

Hallo Thomas,
ich verstehe schon, was Du meinst, nur sehe ich darin nicht unbedingt einen Zeitsprung, sondern lediglich die Tatsache, dass zunächst eine Szenerie (der Übergang Abend - Nacht) beschrieben wird und im Folgenden dann, was in dieser Umgebung geschehen ist. Ein Zeitsprung wäre für mich: "Er ging langsam auf sie zu. Jetzt nimmt er ihre Hand und küsst sie." Er erfolgt auf einer Betrachtungsebene.
In meinem Text sehe ich eher einen Sprung in der Betrachtungsebene.
Aber nun erschlage ich mal die Fliege an Wand für Dich:

Der Tag sank seinem Dämmern zu
und seinem Rot der letzten Wärme.
Im zarten Licht der Abendruh
verging der Tanz der Mückenschwärme.

In stiller Andacht stand der Baum
geheimnisvoll gehüllt in Schweigen,
als greife er den Weltenraum
mit seinen blätterlosen Zweigen.

In jener nebelkühlen Nacht
ist aus dem Moderblättergrunde
ein Buschwindröschen still erwacht,
noch vor dem Reif der Morgenstunde.

Den weißen Blütenkranz versteckt,
so völlig unsichtbar noch gestern,
hat es sich sacht heraus gereckt
und harrt der Anemonenschwestern.

Ich bleibe allerdings bei meiner ersten Version, weil ich sie für eindrucksvoller halte und weil ich damit auch Spannung erzeugen wollte.
Aber, wie gesagt, ich kann Deinen Standpunkt sehr wohl verstehen und danke Dir für Deine Hinweise. Zu denken gibt mir die interessante Diskussion allemal.
Herzlichen Gruß an Dich!
Charly