Routine

er sitzt seit Stunden
auf der Parkbank
im Anzug und weißem Hemd
neben sich die Thermoskanne
und eine Vesperbox
eine Zeitung liegt
zusammengerollt

ein paar Kinder springen vorbei
während der Bach plätschert
im Park - ein Hund tollt
eine Frau mit Einkaufstaschen
setzt sich neben ihn
und erzählt
er lächelt freundlich zurück

am Abend
an der Parkmauer
faltet er sorgfältig Anzug und Hemd
verstaut sie zusammen
mit der sauberen Thermosflasche
und der ungenutzten Vesperbox
vorsichtig in einer Plastiktüte

und geht in Freizeitbekleidung
in seinen täglichen Winkel
da liegt noch etwas Proviant
und eine Falsche Wein
mit Drehverschluss
bei Nacht zieht er
die Zeitung über die Schulter

Lieber Thomas,

jetzt bist du mir zuvor gekommen. Ich wollte euch einladen, falls ihr Spaß und Lust daran habt. Diese Geschichte in verschiedenen Variationen, Gedichtarten aufzuschreiben, ohne den Sinn und den Inhalt zu ändern. Ich könnte mir vorstellen, dass es völlig unterschiedlich wirkt.

Danke für die Kürzestgeschichte.

Liebe Grüße
Liara

Liebe Clara,

das ist ein tolle Idee von dir. Da mach ich doch glatt mal weiter:

seit stunden
auf der parkbank
im anzug und weißem hemd

neben sich thermoskanne und
vesperbox, die zeitung rollt
sich zusammen

kinder springen
vorbei ein bach
plätschert ein hund
tollt

eine frau mit einkaufstaschen
jetzt neben ihm
worte
er lächelt sie an

am abend
an der parkmauer
anzug und hemd sorgfältig gefaltet
mit der sauberen thermosflasche und
der vesperbox vorsichtig
unbenutzt in einer plastiktüte

er sucht seinen
täglichen winkel
nimmt restproviant
eine flasche chianti mit
dreh- verschluss

nachts zieht er die
zeitung über seine
schultern

Das hat Spaß gemacht, vielen Dank für die Inspiration udn liebe Grüße

anna a.

Wie toll ist das denn. Danke, dass ihr das mitmacht. Super Versionen sind euch da geglückt.
Der "Chianti" ist mein Highlight.

Ich breche mir gerade sämtliche Hirnwindungen beim Versuch einen Hexameter daraus zu basteln.
Ich habe auch jetzt schon 4x die erste Strophe, eine so elend wie die andere, der Schweiß tropft mir von der Stirn, ich könnte laut miauen, aber ich schaff das. Ich schaff das!

Mit herzlichen Grüßen
Clara

PS: Weder die Thermoskanne noch die Isolierkanne wollen einen Daktylus ausspucken.

Routine (Hexameterversuch)

Stunden vergehen, in Anzug, in schneeweißem Hemd mit Krawatte,
Kanne und Snackbox daneben. Er schweigt und sitzt still auf der Parkbank.
Während der Bach leise plätschert, zusammengerollt liegt die Zeitung.

Spielende Kinder im Gras, unbeachtet die Tauben dazwischen,
Zwitschernde Spatzen in Büschen, ein Hund tollt mit Herrchen am Ufer.
Neben den Mann auf der Holzbank setzt sich eine Frau, außer Atem.
Schwer sind die Taschen vom Einkauf, erklärt sie und sie sei doch Witwe,
spricht ohne Punkt, ohne Komma. Doch er lächelt freundlich zurück.

Abend im Park, an der Mauer, er faltet das Hemd und den Anzug.
Müde verstaut er die Habseligkeiten in Tüten aus Plastik.
Reste von Brot, eine Flasche Lambrusco mit Deckel zum Schrauben
reicht diese Nacht. An die Mauer gelehnt fließen Worte fast täglich
auf Papier.

Märchen, Geschichten, Gedichte, sein Leben, die Parkeulen jagen,
Blätter in Stapeln, versteckt in der Mauer, er kriecht auf sein Lager.

Nachts zieht er die Zeitung über die Schulter.

Buhuuu, schluchz, und ich saß da so viele Stunden dran. Aber, kommt Üben - kommt supergranatenmäßiger Hexameter.

Danke Heliane, für deinen Kommentar.

Liebe Grüße
Clara

Danke, lieber Thomas, am besten ich lese nochmals Reinecke Fuchs, der staubt schon seit Ewigkeiten im Regal. Vielleicht bekomme ich dann ein besseres Gefühl und Gespür für diesen Rhythmus.
Aber es hat trotzdem Spaß gemacht.

Für die nächste Variation von ROUTINE such ich mir was Leichteres.

Liebe Grüße
Clara

Liebe Heliane,
das hatte ich gelesen und auch bei Wortwuchs habe ich nachgeschaut.
Ich glaube, dein jetztiges Muster kann mir tatsächlich helfen.
Ich habe gerade ganz tief erleichert durchgeatmet, und jetzt hab ich es endlich kapiert, denn ich war schon komplett verwirrt.
Schade, dass ich das so gestern noch nicht hatte. Vielleicht hatte ich es aber auch nur übersehen.

Also, auf ein Neues.

Liebe Grüße
Clara

Liebe Clara,

Wie wärs mit einem Pantun als Nächstes? Und mir gefällt deine Lust auf Lyrikvielfalt sehr gut!

Liebe Grüße

anna a.

Was ist los? Habt ihr den Löffel schon geschmissen?

Ich hab keine Ahnung was ein Pantum ist, vielleicht magst du, liebe anna.
Ich wurschtel mich derweil weiter durch die dichterischen Möglichkeiten. Für den Hexameter hat mein Mut heute nicht gereicht, aber ich habe dafür eine Sestine versucht. Die erste meines Lebens. Und die Coda ist jetzt, glaub ich, auch nicht so der Hit, aber immerhin.
Ich bin ziemlich gespannt auf euer Urteil.

Liebe Grüße
Liara

Routine
(Sestine)

Er sitzt seit Stunden auf der Bank im Park
im Anzug, weißem Hemd, wie jeden Tag.
Die Thermoskanne steht. Es rauscht der Bach.
Ein Stückchen Brot, die Zeitung in der Hand,
als würd er warten, selbst die Amsel schweigt
und nur ein Spatz hüpft Krumen hinterher.

Vier Kinder spielen, springen hin und her,
mit ihnen tollt ein Hündchen durch den Park.
Die Sonne scheint so hell an diesem Tag
und schau – es schwimmen Schwäne in dem Bach.
Ein Pärchen wandelt lachend Hand in Hand.
Der Mann sitzt still und schaut vertraut und schweigt.

Mit Taschen schwer bestückt – der Himmel schweigt
dazu – nun schleppt sich jene Frau daher,
wie stets und setzt sich auf die Bank im Park
zu ihm. Erzählt: "Es wird ein langer Tag.
Der Weg ist weit, so weit wie dieser Bach."
Er lächelt freundlich, tätschelt ihre Hand.

Es ist, als spür' er noch die Wärme ihrer Hand.
Doch längstens ist sie fort und wieder schweigt
der leichte Abendwind. Es geht einher
zur abendlichen Stund', im alten Park,
das Schwinden aller Leute, Tag für Tag.
Mit Torschluss bleibt ein Mann allein am Bach,

besieht sich lang, es ist ein Spiegelbach.
Doch dann wischt er sein Bild mit müder Hand
in tausend Wellen fort. Die Eule schweigt
und auch der Wächter geht nicht mehr umher.
Nur mondhell schimmert Bach und Laub im Park,
die Sterne leuchten hell, als sei es Tag.

Chianti hat er vom vergangnen Tag
und Reste Brot noch - nein - das ist im Bach.
Die Enten fraßen es aus seiner Hand.
Und dann geschieht, was jede Nacht verschweigt.
Er faltet Hemd und Anzug akkurat vorher,
verstaut nun all sein Hab und Gut im Park


in Tüten. Blickt zum Park von weitem her
und schweigt, die Flasche Chianti in der Hand.
Der Bach rauscht dunkel in den nächsten Tag.

Lieber Thomas,

danke für deinen schönen Kommentar. Mir ist bewusst, dass es noch ungeklärte, nichtjambische Stellen gibt. Zwei davon konnte ich gerade ausmerzen. Aber bei der 6. Strophe ist mir bislang noch nicht das richtige Licht aufgegangen. Auch sonst bin ich mit dieser nicht wirklich zufrieden. Ideen nehme ich aber gerne entgegen.

Die Coda, ja die Coda. Die hat eine andere Form, nämlich gar keine, also meine, meine ich. Mit Müh und Not habe ich erstmal die Reimwörter untergebracht und da muss klar noch gefeilt werden.

Ich habe festgestellt, dass es ganz schön schwierig ist eine Sestine zu schreiben und die Reimwörter so wiederzukehren zu lassen, dass es nicht albern wird oder furchtbar langweilig. Ich hebe den Hut vor den Könnern dieser Welt.

Liebe Grüße
Clara

Nachtrag: Strophe 6 ist nun auch noch etwas verbessert, glaub ich.

Hallo ihr Lieben,

ich habe nochmal an der Coda gebastelt:

CODA:

VI .....
verstaut nun all sein Hab und Gut im Park

in den Tüten. Gelehnt an die Mauer im Park, noch den Wein in der Hand,
xxXx/xXxxXxxX/xxXxxX
der zur Neige will gehn wie der Tag. Nur der Schattengeist huscht noch umher,
xxXxxXxxX/xxXxxXxxX
doch er schweigt. Während ein Mann unter Zeitungen kriecht - rauscht (leise) der Bach.
xxX//XxxXxxXxxX//x(Xx)xX

rauscht (leise) der Bach könnte auch so : Xx)xX betont werden
Mit oder ohne "leise"?

Hier fällt nur die letzte Zeile aus dem Rahmen, aber vielleicht ist das ja erlaubt wie bei anderen
Gedichten auch. Nach schweigt, könnte auch ein Komma stehen, das würde den Sinn etwas verschieben.
Was haltet ihr davon?

Liebe Grüße
Clara

Nun habe ich fast alles gelesen und frage mich, ob ich mich noch anhängen soll?

Liebe Clara, Du hast so vieles hineingepackt, das alles konnte ich in einem deutschen Sonett nicht unterbringen, doch es reizte mich schon seit vorgestern.

und das ist nun das, was ich nach Deiner ausführlichen Geschichte draus gemacht habe.



Gestrandet

Er sitzt auf einer Parkbank viele Stunden
im altem Mantel, im zerrissnen Hemd;
das Wasser und sein Brot isst er verschämt;
es bringt ihn jedoch über Tages Runden.

Er ist allein und völlig ungebunden;
vor Kindern und vor Frauen, die ihm fremd
fühlt er sich heute nicht einmal gehemmt;
er hat für diesmal seinen Platz gefunden.

Zum Abend packt er seine Siebensachen;
verstaut sie ordentlich in einen Sack
um sich zu seinem Schlafplatz aufzumachen.

In seiner Ecke gibt es kein Schnick-Schnack.
Der Flasche Wein mit ihrem Drehverschluß -
der gibt er vor dem Schlaf den letzten Kuss.

© lillii ( Luzie-R)

Guten Morgen lillii,

wie schön, dass du dich hier einbringst. Vielen Dank dafür. Klar sollst du dich hier anhängen. Es ist doch kein Gedicht wie das andere und jedes wirkt anders. Wie kann man Gedichtsarten besser vergleichen, als wie wenn man einen gleichen/ähnlichen Stoff darin verarbeitet.

Dein Sonett ist sehr, sehr gut geworden, zwar verändert es den Charakter des Obdachlosen, nicht aber die Situation. Macht gar nichts. Aber auch hier, ich weiß nicht wie es den anderen geht, aber "Schnick-Schnack" reimt zwar, jedoch passt es nicht zum wirklich schön formulierten Rest.

Das Bild ist sehr ausdrucksstark und gefällt mir sehr.

Liebe Grüße
Clara

Liebe Alle,

ich hatte vorletzte Nacht eine Idee. Was haltet ihr davon, wenn wir ein E-Book daraus machen? Wir arbeiten alle gemeinsam daran. Je nachdem, kostet das nix. Zum Beispiel bei Amazon. Wir alle. Mit einer Einführung. Mit Erläuterungen zu den einzelnen Gedichtarten und kleinen Hinweisen und Analysen zu den Unterschiedlichen Wirkungen und so. Natürlich müssten wir die einzelnen Gedichte, wo nötig, noch überarbeiten. Aber es eilt ja nicht. Das wäre doch mal was ganz anderes. Als E-Book können wir es günstig anbieten, so 2/3 € etwa. Und den Verdienst, wird wahrscheinlich eher überschaubar bleiben, aber das macht ja nichts, bekommt entweder Heliane für den Musengarten oder wir treffen uns zum Feiern. WAS meint ihr?

Falls nur ein Thema durch die Gedichtarten zu wenig ist für ein Buch, könnte man ja noch 1 oder 2 andere (z.B. Natur und Beziehungen) Themen (ebenfalls mit einem kleinen Vorgabetext: Gedicht oder Kürzestgeschichte, diesmal aber nicht von mir) dazunehmen, ebenfalls durch alle Themen. Mehr würde ich jetzt nicht nehmen, aber das könnte man abstimmen.
In Zeiten von Corona würde das ablenken und hätte vielleicht ein tolles Ergebnis und Erlebnis für alle Musengärtner. Allerdings wäre schon Qualität angebracht, sonst bringts das nicht. Bei allen.
Ich habe einen Online-Konferenzraum. Den könnte man später dann nutzen, das wir direkt kontaktieren und diskutieren und besprechen könnten.

Und schreibt hier bitte zahlreich eure Meinungen. Ihr habt die freie Auswahl: ja oder ja!
Ich habe Heliane informiert.

Liebe Grüße
Clara

Lieber Thomas,

das ist ja mal schwerlich zu toppen.
Darf ich das so übernehmen. (Ähm, ich mach das jetzt einfach mal.)

Da frag ich mich doch glatt wieder, warum ich mich manchmal so abplage,
mit manchen Stellen. Das liest soich doch mal locker vom Hocker.

Danke, dass du noch hereingeschaut hast und für diese Idee.

Liebe Grüße
Clara