Steil, aus eisigkalten Meeresfluten,
ragt die weiße Gletscherwand empor,
die schon viele tausend Winter fror.
Niemand sieht ihr schmelzendes Verbluten.

Nichts scheint ihre Wuchtigkeit zu stören.
In der Luft jedoch liegt sonderbar
Spannung, die schon früh zu fühlen war
und ein leises Knistern ist zu hören.

Dann erwächst daraus ein lautes Krachen
und der eisgeboren feste Boden bebt,
als das Frostgebilde plötzlich lebt.
Urgewalten scheinen zu erwachen.

Angsteinflößend, wie von Geisterhänden,
bricht von oben in die Tiefe eine Kluft,
Staubfontänen stieben in die Luft,
zwischen weichenden, bewegten Wänden.

Beide Teile driften auseinander,
ungeheure Kräfte sind am Werk.
Aus dem Eisgebirge bricht ein Berg,
immer weiter, tiefer und rasanter,

stürzt hinab mit seiner ganzen Bürde.
Schäumend peitscht er durch das wilde Meer
eine Riesenwoge vor sich her,
in Erhabenheit und stolzer Würde.

Nach dem Tosen wird es plötzlich leise,
nur ein Gipfel schaut noch aus der Flut
weil der Rest in kühler Tiefe ruht.
Mählich geht ein Eisberg auf die Reise.

lieber Galapapa
Du hast ein Gedicht geschaffen das mich von Strophe zu Strophe mit nimmt. Mir ohne erhobenen Zeigefinger die Veränderung und die Naturgewalt durch den Klimawandel zeigt.
Mir gefällt es sehr gut.
Das Einzige was ich anmerken muss, ich habe den Ausdruck "Mählich" aus der letzten Zeile noch nie gehört und ich vermute es rührt von Allmählich her. Es wäre toll wenn Du dort etwas schöneres finden würdest.
herzlich Ilona

Lieber Karlheinz,
ich finde Dein Gedicht traumhaft schön und ich habe den Eindruck, als wärest du selbst dabei gewesen.
Und trotzdem ist es traurig, weil das Schmelzen der Eisgletscher keine gute Geschichte ist.
Ich bin trotzdem ganz hingerissen.
Liebe Grüße, Heidi

Lieber Charly,
"mählich" ist ganz wunderbar und passend!!!
Wenn Gletscher kalben, muss es nicht unbedingt ein Hinweis auf die fortschreitende Erderwärmung sein, denn das machen sie schon seit Beginn der Zeitrechnung.
Du hast aus diesem Ereignis ein beeindruckendes, bildreiches und klangvolles Gedicht geschaffen, das mir sehr gut gefällt.
Herzliche Abendgrüße,
Heliane.

Lieber Thomas,
danke für Dein schönes Lob!
Liebe Grüße!
Charly

Liebe Ilona,
auch Dir herzlichen Dank für Deinen lobenden Kommentar.
Schade, dass Du mit dem Wort "mählich" Probleme hast. Es bedeutet, wie Du schon vermutet hast, "allmählich". Am gebräuchlichsten ist es in Österreich, aber auch hier in Süddeutschland wird es ab und an verwendet. Schau es Dir nochmals an, es ist doch nicht so viel anders als das Wort der selben Bedeutung "allmählich". Zudem passt und klingt es hier gut. Ich werde es also stehen lassen und hoffe auf Dein Verständnis.
Liebe Grüße!
Charly

Liebe Heidi,
danke für Dein Lob! Zu gerne wäre ich einmal dabei, wenn so etwas passiert. Das und Nordlichter sind Dinge, die ich unbedingt einmal sehen möchte.
Wie Heliane richtig anmerkt, ist das Ganze ja ein natürlicher Vorgang. Doch die Intensität und Häufigkeit in den letzten Jahren sind ein deutliches Zeichen, dass auch da der Klimawandel sichtbar wird und uns alarmieren sollte.
Liebe Grüße!
Charly

Liebe Heliane,
herzlichen Dank für Dein Lob! Ich weiß es zu schätzen.
Ich bin im August zum Lesen eingeladen beim Poetenfest eines Autorenverbandes und habe in meiner Sammlung von Gedichten, es sind inzwischen fast 800, nichts Passendes zum Thema "Brüche, Abbrüche, Umbrüche" gefunden. Also habe ich gemacht, was nicht vorhanden war.
Ich freue mich auf unser Wiedersehen im April.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Galapapa, auch mir gefällt das Wort "mählich" und dein Gedicht ist sehr, sehr schön.
Die Eisgeburt hat mich an ein besonderes Buch erinnert. Es heißt "Prinz", der Autor ist Ib Michael.
Auch da treibt ein Eisberg übers Meer, in dessen Inneren ein altes Schiff eingeschlossen ist.

LG Heike

Liebe Heike,
danke für Dein Lob!
Das Buch kenne ich nicht, den Gedanken, ein Schiff geht auf die Reise, eingeschlossen in den Eisberg, finde ich interessant und spannend.
Wann immer es passiert, geht stets ein Stück Vergangenheit, vielleicht viele tausend Jahre, auf eine letzte Reise und stirbt langsam in die Vergessenheit der schier unermesslichen Ozeane hinein. Geburt und Ende, beides gehört zusammen und ist untrennbar verbunden.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Galapapa,

bin gerade über einen Eisberg gestolpert, der hier aus einem Wörtermeer hervorragt. Und was soll ich sagen. Ich bin begeistert. Wunderschön beschrieben und zum Miterleben nahe.

Danke. Liebe Grüße
Clara

Liebe Clara,
es freut mich, dass Dir mein Gedicht gefällt. Danke für Deinen Kommentar!
Apropos "miterleben", es ist ein Traum von mir, so etwas einmal zu sehen, an Ort und Stelle anstatt im Fernseher.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Galapappa,

Dieses Gedicht wirkt auf mich wie eine innige Verneigung vor den Kräften der Natur, die uns immer wieder zeigen, dass sie aller Hybris der Menschen zum Trotz ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorchen, die noch keiner von uns zu verstehen vermag.

Ich bin vollkommen in das Bild beim Lesen eingetaucht, habe das Donnern gehört und auch die Stille danach gespürt.

Einen furiosen Tagesbeginn hast du mir damit beschert.

Liebe Grüße

anna a.

Lieber Galapapa,
dein Gedicht ist schön. Schön deshalb, weil du eine poetische Sprache findest, die ein gewaltiges Phänomen im Eis beschreibt. Schön auch, weil du dir die Zeit nimmst, Strophe für Strophe ins Detail zu gehen, wieder beschreibst; die nächste Stufe der Veränderung abwartend.
Es ist für mich im hohen Maße auch ein Sinnbild für die Stufen unseres menschlichen Lebens.
Ungemein schön, und alles geschieht eben "mählich" in unserer schnelllebigen Zeit. Danke für die Möglichkeit, in die Langsamkeit deiner Naturbeschreibung mit eintauchen zu dürfen, und zwischen all dem Eis mich zu entdecken.
herzliche Grüße.
der Sanderlling

Liebe anna a,
hab herzlichen Dank für Deine Zeilen! Zu erfahren, wie eine Leserin den Text geradezu erlebt, ist ein großartiges Feed back.
Die Naturgewalten weisen die Menschen immer wieder in ihre Schranken und sie überschätzen sich so lange, bis sie vielleicht eines Tages von den unantastbaren Gesetzen der Natur zerrieben werden. Wer weiß, wie nahe wir mit den provozierten Klimaveränderungen schon am Abgrund stehen.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Sanderling,
auch Dir herzlichen Dank für Deine Worte zu meinem Text! Dass Du in die Verse eintauchen konntest und im Eis Dich selbst wieder gefunden hast in den Stufen der Veränderung bei der Geburt des Eisberges, das ist ein wahrhaft schönes Kompliment.
Ein Sinnbild für das Leben von uns Menschen sehe ich auch im Ablauf des Geschehens: Geburt, der lange Weg, auf dem die Kräfte langsam dahinschmelzen und schließlich das Aufgehen in der Gesamtheit, dem Ozean. Als Teil des Ganzen zu leben und wieder dahin zurückzukehren ist doch, was uns allen widerfährt.
Danke nochmal und liebe Grüße!
Charly

Lieber Charly,

da bin ich ganz deiner Meinung, ich wünsche mir auch oft ein Feedback des Leser*in, wie sie sich beim Lesen gefühlt haben und vor allem, welche inneren Bilder aufgetaucht sind.

In diesem Sinne herzliche Grüße

anna a.

Lieber Charly,

toll, wie du ein Naturphänomen beschreibst,
an dem die Natur keine Schuld trägt.
Gefällt mir sehr gut - wenn auch ein leises Gefühl des Entsetzens zurückbleibt.

Sehr gern gelesen!

Liebe Grüße

Michael

Hallo Michael,
danke für Deinen lobenden Kommentar!
Dieses von Dir beschriebene "leise Gefühl des Entsetzens" erklärt sich vielleicht aus der Ohnmacht gegenüber derartigen Vorgängen, bei denen so gewaltige Naturkräfte angsteinflößend sein können. Ein solch leises Entsetzen überkommt mich auch, wenn ich darüber nachdenke, an welch dünnem Seidenfaden unser Dasein angesichts der Vorgänge im gewaltigen Universum hängt.
Liebe Grüße!
Charly