Im Jahre 2050

Das pralle Leben scheint mir nur noch Bürde,
und so ist mir das Dasein eine Last;
nach hundertdreißig Jahren hier in Würde
mein Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.

Gesundheit kaufte ich, sie war mein Schatz,
ich konnts mir leisten. Knochen aus Titan
und tausend Pillen hatten ihren Platz.
Vernetzung hat dem Körper wohlgetan.

Mein Fleisch und Blut, geformt von neuster Technik,
verschafften mir das Plus zum Hungerleider.
Doch langsam steigt in mir die reinste Panik,
denn seit ich sterben möcht, ich lebe – leider.

Vergreis ich nie? Bin ich den Göttern eben?
Ich nahm, was kaufbar es im Heute gab.
Nur, wollte Gott, dass wir für immer leben?
Wo sind die Grenzen? Wer bricht hier den Stab?

Die Heilkunst wurde unser ganzer Glaube.
Der Weisheit Mutter ist das beste Leben.
Der Arzt empfängt nun eine Menschentraube
wie früher Priester, die zu Gott hin streben.

Ach helft, ihr Götter, helft mir Abschied nehmen.
Ich bin ein Kind der bitterkalten Zeit.
Gelebt, gehaust hab ich, ich sollt mich schämen,
mein Teil zu schenken, war ich nie bereit.

Den Schnitter möcht ich leise kommen hören
und wissen, meine Seele geht in Frieden.
Und horch: Ich könnte es schon fast beschwören,
mein Geist ist von dem Körper längst geschieden.

Liebe Ilona, was für ein Szenario! Ich bin fasziniert und gleichzeitig dermaßen erschrocken über deine Ballade, die doch nichts anderes tut als die Wahrheit zu schreiben und uns einen Spiegel vor die Augen zu halten. Genau so ist es und genauso könnte das Ende 2050 kommen. Aber schlimmer geht immer, dann wenn auch noch das Gehirn ersetzbar/austauschbar ist und der Mensch zum Roboter wird.
Bitte schaue noch einmal über den Text, da habe ich ein paar kleine Fehler gesehen.
LG Heike

Liebe Ilona,

eine interessante Vorstellung von einer nicht all zu weit entfernten Zukunft, von der ich nicht hoffe dass es so sein wird. Die Wünsche und Vorstellungen hierzu sind auch unterschiedlich. Ich denke das eine Lebensmüdigkeit nur auftreten könnte, wenn mit wachsendem Leid und ohne Hoffnung gelebt werden muss. 130 Jahre erscheinen mir auch noch als sehr wenig, doch die Auffassungen darüber sind sicher unterschiedlich. Im Mittelalter wurden die meisten Menschen nicht älter als 40 und haben haben ihre letzten Jahre mit Schmerzen verbracht, so dass sie gerne sterben wollten. Gut dass sich dies für uns immer mehr verbessert.
Pri(e)ster besch(w)ören
Deine Ballade mit dem Blick auf die Zukunft gefällt mir sehr gut. Ich wünsche Dir frohe Weihnachten.

LG Hans

Liebe Ilona,
so gruselig dein Thema auch ist, so gefangen nimmt mich doch auch deine Ballade. Sie erscheint mir sehr gut gelungen. Den Schluss empfinde ich besonders stark.
Frohe Weihnachten wünsche ich dir,
vor allem, wo dein Jahr ein so besonderes war.
der Sanderling

Liebe Ilona,

hu, ist das gruselig. Ich hoffe, dass die Kunst der Ärzte nie so weit gedeiht, dass es nur noch reiche Alte gibt, die sich von den jungen Mittellosen ernähren lassen. Welch ein Horror!
Du hast das in Deinem Gedicht sehr gut geschildert und ich denke an manch einen alten Menschen, der tatsächlich lieber heute als morgen gehen möchte.
Dein Gedicht ist eine wirksame Warnung an die menschliche Hybris.

Alles Liebe,
Heidi

Liebe Ilona,

deine Dystopie ist eigentlich schon fast Realität, jedenfalls, was die Mentalität anbelangt. Ich denke es wird in nicht allzu langer Zeit zum Privileg, in Frieden und ohne größere Eingriffe sterben zu dürfen!

In der 3. Strophe, zweite Zeile muss es m.E. "verschafften" heißen, auch finde ich den Ausdruck "das Plus" nicht sehr schön.

Späte, doch liebe Weihnachtsgrüße von
Karlheinz

vielen Dank für eure lieben und kritischen Kommentare, aber auch für eure Zustimmung.
Ich habe inzwischen die Flüchtigkeitsfehler beseitigt.
Lieber Karlheinz, ich finde kein besseres Wort für das "allumfassende Wort Plus. Ich habe an dieser Stelle länger überlegt, im Augenblick will da nichts kommen.

herzliche Grüße
Ilona

Liebe Ilona,
welch schreckliches Szenario beschreibst du hier? Ich befürchte, es ist schon längst eingetreten, was du in deiner gelungenen Ballade schilderst, und wird 2050 noch schlimmer sein. Welche Welt hinterlassen wir unseren Kindern und Enkelkindern?
Wir werden nur noch Ersatzteile tragen, deren Nutzen sehr bedenklich ist. Denn sie können nur eine Notlösung für den Verlust unserer Werte sein. Orwells Roman liest sich jetzt wie eine naive Zukunftsvision.
Thema und Strophenform hast du sehr gut ausgewählt .
Herzliche Grüße,
Heliane.

Zitat

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S1 V1/V3/V4
Das pralle Leben scheint mir nur noch Bürde Komma,
nach hundertdreißig Jahren hier in Würde, kein Komma
mein Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.

S3 V1
Mein Fleisch und Blut Komma, geformt von neuster Technik Komma,

S4 V2/V3
Ich nahm Komma, was kaufbar es im Heute gab.
Nur Komma, wollte Gott, dass wir für immer leben?

S6 V1/V4
Ach helft, ihr Götter Komma, helft mir Abschied nehmen.
mein Teil zu schenken Komma,war ich nie bereit.

S7 V2/V3
und wissen Komma, meine Seele geht in Frieden.
Und horch: Ich könnte es schon fast beschwören Komma,

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liebe Heliane
zuerst einmal danke für die Korrektur meiner fiesen Kommafehler, ich möchte Dir es gerne ersparen aber ich befürchte ich lerne es nicht mehr.
Ich bin froh, dass wir es wohl nicht mehr erleben müssen.
Noch gibt es die Vorsorgevollmacht und ich hoffe inständig die Ärzte halten sich daran. Wie schnell es geht, dass einem Menschen ein gerichtlicher Vormund vor die Nase gesetzt wird habe ich bei meinem Bruder erlebt.
Ich kann jedem nur empfehlen diese Vollmacht bei einem Notar zu hinterlegen.
Danke für Deine positive Einschätzung meiner Ballade.
herzlich Ilona

Hallo Ilona,

da bringen die Balladen ja wirklich heikle Themen auf's Tablett. Ich musste ganz schön schlucken beim Lesen. Vor allen Dingen, da das Beschriebene so gar nicht aus der Luft gegriffen ist und die Tendenz für diese düstere Prognose steigt. Aber - und da glaube ich fest daran, irgendwann greift die Natur selbst ein oder ein Gott mit einer neuen Arche Noah oder sonstwas und dann ist aus die Maus.

Sehr gerne gelesen trotz Entsetzen
liebe Grüße
Clara

liebe Clara
natürlich möchte jeder Mensch lange in bester Gesundheit leben. Nur, ich befürchte, das Leben und die Gesundheit werden in nicht all zu langer Zukunft ein kaufbares Gut werden. Vor kurzem habe ich mich durch ein Symposium eines internationalen Pharmazitreffens gelesen. Dort hieß es, wer sich heute nicht auf Vernetzung des Menschen und die Gesundheitsvorsorge als kaufbares Gut einstellt hat verloren.
Ich dachte, oh wie schrecklich. Du trägst ein Chip unter der Haut und zu jeder Zeit werden Dir andere Menschen oder Maschinen sagen, jetzt brauchst Du Vitamin so und so, oder ein anderes Präparat.
herzlich Ilona