Tristan*

Knick in Seele, Riss im Herzen,
klagt er über seine Lage:
"Schwermut plagt mich alle Tage,
mich verlässt sehr schnell der Mut!"
Um zu fliehen seine Schmerzen,
nimmt er kleine weiße Pillen.
"Ängste kann ich durch sie stillen,
damit gehts mir wieder gut!"

Meint Tristan, der unerfahren,
knabbernd an den Fingernägeln,
und beruhigt sich durch Regeln,
die er regelmäßig bricht.
Und nach Monaten und Jahren,
kommt das, was dann kommen musste
und schon vorher jeder wusste,
dass er ganz zusammenbricht!

Auferstanden von den Toten,
kauft er sich vom letzten Gelde,
um zu fliehen innre Kälte,
einen Trip zum Dach der Welt.
Um sein Ich dort auszuloten,
und dort selbst herauszufinden
auf den Höhen bei den Winden,
was die Welt zusammenhält!

Er verirrt sich in den Bergen,
sieht im Finstern viele Sterne,
lauscht auf Stimmen in der Ferne,
die er wie im Rausche hört:
"Lass Dich führen von uns Zwergen!
Wir sind Geister, die Dich leiten
durch des Lebens dunkle Zeiten,
steh zu Dir, denn Angst zerstört!"

Dieses hört die kranke Seele
aus den Mündern guter Geister
und aus ihrem Kreis der Meister
tritt zu ihm und lädt ihn ein:
"Nimm, damit Dich nichts mehr quäle,
von dem Wein aus diesem Glase.
Er verdräng die schlimme Phase,
er soll Deine Rettung sein!"

"Schlürfe aus den Saft des Lebens,
der Dir Mut zum Leben gibt!
Gib nie auf, sag nie: vergebens
und nimm wahr, wenn man Dich liebt.
Lieb Dich selbst, sei offen, ehrlich,
meide Neid und Selbstbetrug,
reichlich gib, erwarte wenig,
so hast Du bald Freud genug."


* französisch aussprechen!

Lieber Carlino,
schon der Beginn deiner Ballade führt direkt in die Ernsthaftigkeit des gewählten Themas ein. "Knick in Seele...". Trotz, (oder vielleicht wegen?) des ernsthaften Themas, gefällt mir deine Ballade sehr, und es gelingt dir in einem Abriss aller Möglichkeiten mit Hilfsmitteln der eigenen Pein zu entgehen. Scheinbar. Bis zur hoffnungsvollen Wende zum Schluss hin. Sehr schön!
(Ich erkenne klassische Gedichtformen noch nicht so gut, wähltest du eine, und wenn ja welche?)
Frohe Weihnachten!
der Sanderling

Lieber Karlheinz, im Namen Tristan den ich nicht französich sprechen kann, liegt bestimmt das Wort Tristesse. Wie sagt man Nomen ist Omen und man sollte aufpassen was man seinen Kindern für einen Namen gibt? Das ist natürlich Aberglaube. Es gibt ja auch noch einen anderen Tristan.
Deine schöne Ballade nimmt sich einem ernsten Thema an, das gerade in unserer heute stressigen Zeit sehr aktuell ist. Führt es doch zu einem hohen Krankenstand und oft zu vorzeitiger Berentung. Du zeigst einen Lösungsweg auf, für den man nicht einmal bis auf das Dach der Welt gehen müsste.
Mir gefallen alle Strophen, aber die dritte Strophe am besten. Sie trifft "des Pudels Kern" wie man so sagt. Viele Menschen haben verlernt auf ihr Inneres zu hören, sich selbst zu spüren und zu lieben, sich anzunehmen wie sie sind. Daran ist auch unsere leistungsorientierte Gesellschaft schuld, die gerne arbeitswütige, selbstverleugnende Einheitsmenschen hätte, die sie gnadenlos ausbeuten kann. Da kann man sich schon mal selbst verlieren.
Dein Tristan hat die Kurve noch einmal hinbekommen, was ich sehr gut finde.
LG Heike

Lieber Sanderling,

ich danke dir für deine lobenden Worte! Die Ballade "Der Schatzgräber" von Goethe war mir hier Anregung.

Liebe Heike,

auch dir herzlichen Dank für deine Gedanken! Ja, der Name Tristan deutet vermutlich auf Traurigkeit und dass er hier französisch auf der letzten Silbe betont werden soll, ist wichtig für den Rhythmus. Der gute Ausgang war mir wichtig im Sinne einer Sinnsuche.

Lieber Thomas,

du hast den Braten natürlich sofort gerochen! Danke für dein Lob!

Euch dreien noch schöne Feiertage
Karlheinz

Lieber Karlheinz,

Depressionen kann man nicht ernst genug nehmen. Oft führen sie zu einem schlimmen Ende. Gut dass Du hier noch einen Ausweg aufzeigst. Mit dieser schwierigen Strophenform ist es Dir gelungen das Problem sehr gut aufzuzeigen. Mit Deiner Ballade hast Du das Thema deutlich dargestellt. Gefällt mir ausnehmend gut. Ich wünsche Dir frohe Feiertage

LG Hans

Lieber Carlino,

die Gedichtform ist genial und man hört tatsächlich den alten Meister durch. Es lässt einen richtig wach werden.

Tristan ist schon ein Kerlchen, läuft der nachts alleine am Himalaya herum? Oder hat er das nur geträumt, was die Zwerge nahelegen und weil der Wein so schnell zu seinem Munde findet.
Jedenfalls hat er noch Glück im Unglück, weil die Geister ihm so gute Vorschläge nahelegen. Wenn er sie beherzigt, wird es ihm sicher besser gehen. Das Gedicht liest sich super. Wie schön, dass Du in diesem Stil gedichtet hast.

Alles Liebe,
Heidi

Lieber Hans,

vielen Dank für dein Lob und den blinkenden Weihnachtsgruß!

Liebe Heidi,

ja, Geister und Meister reimen sich noch immer vortrefflich! Von Altmeistern zu lernen, ist mir immer wieder Freude und Ansporn.
Ob der gute Tristan das geträumt hat oder erlebt, das kann er wohl selbst nicht beantworten, da Traum und Wirklichkeit ineinander fließen. Der eigentliche Läuterungsprozess, den ihm der Meister vorschlägt, liegt ja noch vor ihm! Mal sehn, ob das anschlägt!

Euch beiden herzlichen Dank
Karlheinz

lieber Karlheinz

mir gefällt Deine Ballade und ich finde auch nichts was ich hier verbessern könnte. Goethe als Anregung für eine neue Ballade zu nehmen ist schon eine Herausforderung, die hast Du sehr gekonnt gemeistert.

herzlich Ilona

Lieber Karlheinz,
der Herr Geheimrat würde sich freuen und ich hätte noch gerne weitergelesen - die Strophenform eignet sich ganz hervorragend - ich bin begeistert!
Kannst du dich noch erinnern, dass auch ich vor langer Zeit in unserem ersten Forum einige unserer Altmeister umdichtete? Sowas macht sehr großen Spaß und bringt mit Riesenschritten weiter. Deine "Fingerübung" erinnert mich, dass ich es unbedingt mal wieder versuchen muss.
Eine rundum gelungene, klang- und bildreiche, sprachlich perfekte und nachdenklich stimmende Ballade, Chapeau!
Herzliche Grüße,
Heliane.

Lieber Karl-Heinz,

deine Ballade gefällt mir sehr gut. So eine kleine Auszeit zum Innehalten und sich selbst wiederfinden ist oftmals gold wert. Du hast das wirklich toll rüber gebracht. Und sie zeigt auch gut, wie man überhaupt in dieses Dilemma rutschen kann. Wie schön, dass alles zu einem guten Ende kommt.

Liebe Grüße
Clara

Liebe Ilona, liebe Heliane, liebe Clara,

erst jetzt fällt mir auf, dass ich mich bei Euch noch nicht bedankt habe, was ich hiermit nachhole!

Herzliche Grüße aus Lyli zu früher Stunde
Karlheinz