Speed of Life


Erlegen der Jagd,
dem Taumel des schnellenden Lebens,
tagtäglich gepeitscht
von tobsüchtig zuckender Zeit;
der tweed bestimmt
die Spanne der Konzentration.

Immer näher
ins Auge gerückt
dem Wirbelsturm.
Der Lebenskreis enger
und enger getaktet.
Die Welt zerfällt in
Fascettenaugenblicke.

Zerfetze Warntafeln rufen:
Entschleunigung,
Entschleunigung,
Entschleunigung...

Mückenschaum
gestrandet
an Autoscheiben,
im Livestream
gefangen.
Tunnelblick
ohne Rückschau,
ohne Rücksicht.
Roter Schein,
im gekrümmten Raum –
das eigene Rücklicht.
Ah! Schneller als Licht.


© Ralf Schauerhammer

Liebe Ilona, liebe Heliane,

vielen Dank für euer Lob.

Das Problem der "Anglizismen" verstehe ich nicht. Ein "Anglizismus" liegt doch nur dann vor, wenn es ein passendes deutsches Wort gibt und stattdessen ein englisches Wort gewählt wird, also z.B. wenn "City" statt "Stadt" bzw. "Innenstadt" gesagt wird. Aber für die beiden englischen Worte, die im Text vorkommen, es sind "tweed" und "livestream", gibt es gar keine passenden deutschen Worte. Ich kenne jedenfalls keines. In der Überschrift könnte man theoretisch "Lebensgeschwindigkeit" statt "Speed of Life" sagen, aber das wäre langweilig und die gewollte Assoziation mit "Speed of Light" ginge verloren.

Liebe Grüße
Thomas

P.S. Lieber Hans,
gerade merke ich, dass ich vergessen habe, mich für deinen Kommentar zu bedanken. Ich möchte das nun nachholen. Insbesondere hat mich gefreut, dass du die Wirkung des Gedichts beschrieben hast und die Form zum Inhalt passend findest.
Liebe Grüße Thomas

Lieber Sanderling,

vielen Dank. Bei mir verbindet sich in dem Bild der Kurzlebigkeit des Schaums am Meeresstrand und der Insekten an der Windschutzscheibe.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Heidi,

vielen Dank. Es freut mich, dass das Gedicht dich erreicht hat. Ich füge einen Text an, der mich angeregt hat und mich empfinden ließ, dass der Geschwindigkeitsrausch heute ein Gegenstück des bachantischen Taumels von einst ist.


Johann Gottfried Herder: Pindar und der Dithyrambensänger.

Woher mag der Dithyrambe bei den Griechen entstanden seyn? Darf ich eine Hypothese versuchen?...

Ein Volk in seiner Wildheit ist in Sprache, Bildern und Lastern stark: Trunkenheit und Gewalttätigkeit sind die Lieblingslaster einer Nation, die noch Mannheit (αρετη ) für Tugend, und trunkne Raserei für Vergnügen hält. Alle die feine Schwachheiten waren damals noch nicht, die heut zu Tage unsere Güte und Fehler, unser Glück und Unglück bilden, die uns fromm und feige, listig und zahm, gelehrt und müßig, mitleidig und üppig machen. Diese Trunkenheit gebar wilde Vergnügen, den ungezähmten Tanz, eine rohe Musik, und nach der damaligen ungebildeten Sprache auch einen rohen Gesang.

Nicht an Altären, sondern in wilden Freudentänzen entsprang also die Dichtkunst, und so wie man die Gewalttätigkeit mit den schärfsten Gesetzen bändigte, so suchte man die trunknen Neigungen der Menschen, die jenen entwischten, durch Religion zu erhaschen. Ihre Götter trugen damals Keulen und Blitze: die sanften Grazien waren noch nicht geboren; man verehrte die Kräfte der Natur: rau war ihr Gottesdienst, wie ihre Natur, durch Opfer und Trunkenheit – und unter den ältesten Göttern war immer auch ein Oenotrius, ein Weingott; man heiße ihn, wie man wolle.

Jetzt wurde also die trunkne Dichtkunst an die Altäre zur Entsündigung geführt. Hier befahl die Religion ihnen Trunkenheit in Wein und Liebe, und ihre Trunkenheit bequemte sich also wieder der Religion: ihr Gesang war voll von der tierisch-sinnlichen Sprache des Weins, und der Wein erhob sich wieder zu einer gewissen mystisch-sinnlichen Sprache der Götter: ein heiliger Gesang in doppeltem Verstande. Die Priester, zugleich Dichter und Staatsleute, webten aus Nationalsagen eine Mythologie zusammen, die sich zu ihren rauen Gesängen bildete, mit denen sie als mit einem Zaume, mit einem Stück des Gottesdienstes, mit einem Zeitvertreibe und Vergnügen das Volk lenkten.

Wozu sage ich alles dieses? Um zu zeigen, dass der Dithyrambe aus den Zeiten der Wildheit und Trunkenheit seinen Ursprung und Leben ziehe… Sein Inhalt, seine Sprache, Silbenmaß, Bearbeitung, Musik, Deklamation, alles zeugt von der Zeit, die ihn hervorgebracht hat…
Und eben diesem Zeitalter ist auch die Dithyrambische Sprache gemäß, die in Worten neu, kühn und unförmlich; in Konstruktionen verflochten und unregelmäßig war…

Sollen wir also die Dithyramben zurück finden?...


Liebe Grüße
Thomas

Liebe Heidi,

gerne, ich wollte ein wenig meinen Gedankengang erklären.

Liebe Grüße
Thomas