Wo Mauern oder Zäune Völker trennen,
hat Menschlichkeit nur selten Halt gemacht –
sei auch der Schlagbaum noch so gut bewacht –
weil die Gefühle keine Grenzen kennen.

Verlangen kann Barrieren überrennen,
es widersetzt sich Willkür und der Macht.
Die Eintracht bringt ein Licht in kalte Nacht,
wenn Menschenherzen füreinander brennen.

Der Frieden ist die stille Glücksvision,
die oftmals unerreichbar fern erscheint.
Doch Tod und Elend sind der Kriege Lohn –
für die Glückseligkeit der ärgste Feind.

Nicht Rasse, Sprache oder Religion:
Das Menschsein ist es, das uns alle eint!

Lieber Charly,

Ein Sonett über Flucht, Verteibung und Menschlichkeit.
Ja, wenn wir doch nur einmal irgendwann begreifen könnten, dass wir Menschen, ungeachtet aller Religionen und ethnischer Zugehörigkeit gleich sind! Aber ehrlich, davon sind wir noch Lichtjahre entfernt, wenn es überhaupt mal dazu kommt. Das altes Stammes,- und Überheblichkeitsdenken wohnt noch in uns allen.
Ich will nichts herbeireden, aber zum Umzudenken könnte es einer maximalen Katastrophe bedürfen und die wollen wir auch nicht. Ob der Verstand irgendwann Ausgrenzung von Ausgrenzungsprozessen in unseren Hirnen verankert? Wer weiß es.

Liebe Grüße,
Heidi

Lieber Charly,
Dein Sonett gefällt mir.
Trotzdem habe ich ein paar Fragen dazu. In der ersten Strophe sagst Du, dass Menschlichkeit über Zäune und Grenzen hinaus geht. Mir scheint das im Widerspruch zur Gesamtaussage des Gedichtes, so wie ich sie verstanden habe zu stehen?
Der Tod und Elend sind der Kriege Lohn – Müsste es hier nicht der Tod und das Elend heißen? oder einfach nur Tod und Elend?

Liebe Heidi,
sind wir Menschen wirklich gleich? Männer und Frauen? Reiche und Arme? VIPs und Niemande?
Denken Menschen wirklich gleich? Der Gläubige und der Atheist? Der Betrüger und der Ehrliche?
Ich sehr, dass sich nur wenige Menschen in wenigen Dingen ähneln.
Sie haben nicht einmal gleiche Rechte. Einige sind sogar gleicher als andere.

Zitat

---

Aber ehrlich, davon sind wir noch Lichtjahre entfernt,

---

Ja, das stimmt!

Liebe Grüße Euch beiden
Ida

Liebe Heidi,
danke für Dein Lob!
Ich gebe Dir Recht mit Deinem Kommentar. Ich habe manchmal das Gefühl, im Verhalten vor allem jüngerer Zeitgenossen so etwas wie eine Sehnsucht nach Grauen und Elend zu erkennen, als ob ihnen die Kriege überall zu fern wären.
Auch vermute ich den wachsenden Egoismus, verbunden mit verlorener Achtung den Mitmenschen gegenüber, als eine Triebfeder für einen langsam zunehmenden Verlust an Brüderlichkeit.
Wir sind gleich, das ist richtig! Auch wenn wir unterschiedlich denken, urteilen, fühlen oder glauben oder verschiedener Religion, Herkunft oder Rasse sind. Da stimme ich voll und ganz mit Dir überein.
Liebe Grüße!
Charly

Liebe Ida,
Auch Dir Dank für das Lob!
Als Grundaussage des Textes sehe ich, dass Frieden die unabdingliche Basis für ein sorgloses, glückliches Leben ist, denn Zufriedenheit ist die Vorraussetzung für Glück. Sobald die Menschen anfangen, Grenzen zu ziehen, schaffen sie eine Spannung, die sich oft genug in Kriegen entlädt. Das fängt schon beim Streit mit dem Nachbarn am Zaun an. Verständnis, Rücksichtnahme, Achtung und Respekt anstelle von Grenzen, das wäre eine Lösung für die gesamte Menschheit. Doch auch ich stelle fest: Da sind wir wirklich Lichtjahre davon entfernt, da ist unendlich viel Selbstsucht und Vorteils- und Machtgier dazwischen.
Man muss kein Christ sein, um diese Wahrheit zu erkennen.
Einen Widerspruch kann ich in meinem Text nicht finden; was Du damit genau meinst, würde ich Dich bitte, genauer zu bezeichnen, damit ich darauf antworten kann.
Sowohl der Begriff "Tod", als auch "Elend", beides kann auch ohne Artikel verwendet werden und ich kenne keine Regel, die verbietet, das eine mit und das andere ohne Artikel im gleichen Satz einzusetzen.
Vielleicht klingt es etwas ungewohnt, falls noch mehr Aussagen in dieser Sache kommen, werden ich in "...der Tod, das Elend sind der Kriege Lohn..." Für mich selbst klingt es nicht unrichtig.
Danke nochmal und liebe Grüße!
Charly

Lieber Charly,
es ist richtig und gut wie Du in Deinem Gedicht von dem Leid der Flüchtlinge sprichst. Das ethische Verständnis erzeugt in uns allen Mitgefühl und regt zur Hilfe an, zu der sich jeder verpflichtet fühlen sollte. Zu überlegen ist jedoch wie am besten geholfen und dazu noch Leid vermieden werden kann. Dies würde bedeuten die Hilfe möglichst kostengünstig zu gestalten, damit möglichst vielen und vor allem den Bedürftigsten geholfen werden kann. Leider sind jedoch Interessen im Spiel (Schlepper und Geschäftemacher u. a.) die dies verhindern (Barrieren) und so noch mehr Leid verursachen. Auch von mir ein Lob für die gute Aussage.

LG Hans

Lieber Charly!

Ich kann mich meinen Vorkommentatoren nur anschließen: Inhaltlich hast du es auf den Punkt gebracht. Vom Metrum her und auch formal m.E. alles in Ordnung. Eine gute Schlussaussage rundet das ganze Gedicht ab.
Dennoch fällt mir bei wiederholtem Lesen und Vorsprechen immer wieder das Der in S3, Z3. Statt Der (kommt übrigens schon in Z1 vor) würde ich ein Doch bevorzugen. Was meinst du?
Sewhr gern gelesen und kommentiert.

LG, Martin

P.S.: Ist ein Sonett nicht formal 4-4-3-3 aufgebaut?

Lieber Hans,
danke für Deinen Kommentar und Dein Lob!
Natürlich passt der Text auch auf die Flüchtlingsproblematik, ist aber auch noch umfasserder interpretierbar. Damit meine ich, dass Abgrenzungen jeder Art Spannungen verursachen, die immer auch ein Potential für Entladungen in Form von Streit, bis hin zu Kriegen, darstellen. Steckt nicht oft genug hinter Grenzen letztlich egoistisches Macht- und Profitstreben bis hin zu rassistischen Hintergründen? Würden wir uns alle gegenseitig achten und respektieren und Brüderlichkeit vor Selbstsucht stellen, dann wären Grenzen zumeist überflüssig.
Auch in diesem Sinne kann man den Text verstehen.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Martin,
auch Dir herzlichen Dank für Dein Lob und Deine Anregung!
Deinen Vorschlag für den dritten Vers in Strophe drei finde ich gut und ich werde den Text dahingehend ändern.
Ein richtiges Sonett war es ursprünglich mal; da waren die dritte Strophe und der Zweizeiler zwei Terzette. Vers 11 und 12 standen dabei am Schluss des Gedichtes und ich bekam die Anregung, die Verse so umzustellen, wie sie nun dastehen. Es entsteht der Eindruck, es könnte ein englisches Sonett sein (drei Quartette und ein Zweizeiler, meist mit der Synthese), doch wechselt in der dritten Strophe die Reimfolge von abba in abab, so dass es eigentlich im strengen Sinn kein Sonett mehr ist. Mir ist die inhaltliche Abfolge da jedoch wichtiger gewesen. Der Zweizeiler am Schluss bringt die Aussage auf den Punkt und ist somit dort am besten platziert.
Liebe Grüße!
Charly

Lieber Charly,
Macht setzt immer auch Grenzen fest. Grundlage dafür sind Ideologien. Die Grenze werden im Inneren und nach Außen festgelegt und betreffen Materielles sowohl wie auch Geistiges. Das Geistige geht immer dem Materiellen (der Tat) voraus. Eine Entmachtung (zunehmende Begrenzung) ist meist auch die Folge von Toleranz. Treffen Machtstrebende auf Tolerante werden die von der Macht bestimmten Grenzen zunehmend von den Toleranten akzeptiert werden müssen, was auch einen Verlust von Freiheit bedeutet. Ob dies auch mit der Flüchtlingsproblematik zu tun hat mag jeder selbst bedenken.

LG Hans

Lieber Charly,
die Form ist weder ein klassisches noch ein Shakespearesonett - deine Erklärung dazu bringt auch kein Licht ins Dunkel. Die ersten beiden Quartette hast du im umarmenden Reim geschrieben, was auf die Klassik hindeutet. Die beiden Terzette sind, wenn auch mit falschen Leerzeilen, im sauberen Kreuzreim, also auch klassisch. Nähme ich es genau, wäre der poetische Inhalt nicht ganz stimmig. Im klassischen Sonett geht die Reihenfolge These (1. Quartett), Antithese (2. Quartett) und Synthese (Triolette) - aber ich bin schließlich keine Erbsenzählern .
Das Shakespearesonett hingegen hat drei vierzeilige, 5-hebige, jambische Strophen mit wechselnden Kadenzen im Kreuzreim (abab cdcd efef) und ein Couplet (gg).
Nach meiner Lesart ist dein Gedicht eher ein klassisches Sonett, es irritieren nur die Leerzeilen.
Inhaltlich stimme ich deinen Versen und allen deinen Antworten im Faden zu. Es gibt nichts, was den Bau von Zäunen oder Mauern rechtfertigen könnte.
Herzliche Grüße,
Heliane.

Liebe Heliane,
ich gebe Dir Recht, es ist kein Sonett und das habe ich ja auch in meinem Kommentar an Martin geäußert; es ist auch kein regelrechtes, englisches Sonett, warum habe ich ja auch begründet.
Ursprünglich war es jedoch ein echtes Sonett, zumindest was Metrik und Reimfolge angeht:

Wo Mauern oder Zäune Völker trennen,
hat Menschlichkeit nur selten Halt gemacht –
sei auch der Schlagbaum noch so gut bewacht –
weil die Gefühle keine Grenzen kennen.

Verlangen kann Barrieren überrennen,
es widersetzt sich Willkür und der Macht.
Die Eintracht bringt ein Licht in kalte Nacht,
wenn Menschenherzen füreinander brennen.

Nicht Rasse, Sprache oder Religion,
das Menschsein ist es, das uns alle eint!
Und Frieden ist die stille Glücksvision,

die oft wie unerreichbar fern erscheint.
Der Tod und Elend sind der Kriege Lohn,
für die Glückseligkeit der ärgste Feind.

Das war die ursprüngliche Fassung. In einem Kommentar bekam ich den Hinweis, dass "Tod und Elend..." am Schluss einen düsteren Abklang ergibt. Ich erhielt den Vorschlag, die Verse so umzustellen, wie sie nun dastehen und das gefiel mir so viel besser, dass ich dafür auf die Sonettform verzichtete.
Die entscheidende Aussage, die man auch als Sythese verstehen kann, steht in den letzten beiden Versen. Ich fand es deshalb gut, diese durch die Leerzeile vom Rest abzuheben. Die Intension war also keinesfalls dabei, den Text als Shakespeare-Sonett darzustellen! Für ein solches fehlen fast alle Voraussetzungen; ich kenne die Regeln.
Da es, so wie es in der neuen Fassung dasteht, ja auch kein Sonett mehr ist, spielt die Abfolge These - Antithese - Synthese hier auch nicht mehr die Rolle wie im echten Sonett.
Das Erbsenzählen ist inzwischen nicht mehr so sehr mein Grundsatz beim Schreiben. Wenn man bei den großen Meistern nachschaut, dann findet man dort auch nicht selten Abweichungen von Regeln, die aber dem Lesefluss und der "Melodie" des Gedichtes keinen Abbruch tun. Ich selber werde da auch immer freier, bleibe aber bei den Reimen verhaftet und den Regeln treu, die für eine gefällige und flüssige Lesbarkeit der Texte unabdingbar sind.
Danke für Deinen Kommentar und die Hinweise!
Liebe Grüße!
Charly