Emma Lazarus
„Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen,
Hoch halt' ich mein Licht am gold’nen Tore!“

Du hast mir aufgeleuchtet mit Glanz und Gloria
spanntest mir einen hafennahen Sehnsuchtsbogen,
reichtest mir den Kelch mit deinem Alphabet,
schenktest mir Kulissen mit neuen Herren.

'Nutze diese unentdeckten Möglichkeiten,
Geistestempel gibt es nur in dieser freien Welt.'
Sprachst und gabst mir moderne Kleider.
Kleider, die sich fremd anfühlten auf meiner Haut.

Mir zerbrach der Grundstein kindlichen Glaubens.
Fäulnis, Flucht und Lügen sprengten ihn.
Eingeschüchtert meine Seele, wankt als Bettler.
Bettler, der vor lauter Licht im Schatten steht.

Jetzt bin ich frei - ein Vogel ohne Heimatlied
der nur die Melodie der Kinderzeit vermisst.

lieber Thomas
nun wie so oft bin ich durch die Flüchtlinge zu diesem Gedicht angeregt worden.
Genau diese Stimmung ist doch super.
Diese Stimmung stelle ich nun oft bei den Heimatlosen fest.

herzlich Ilona

Liebe Ilona,
muss das in der vorletzten Strophe nicht wankt statt wangt heißen?

Liebe Grüße aus Lüli
Karlheinz

lieber karlheinz
vielen Dank für das Findes des Fehlers.
LG Ilona

Liebe Ilona,
mir gefällt dein Gedicht. Wie man sich als Flüchtling fühlt in einer fremden Welt kann ich nur erahnen. Etwas anderes ist, wenn jemand freiwillig auswandert. Der hat sich ja dann "meistens" vorbereitet und weiß was ihn erwartet. Die Flüchtlinge hatten keine Wahl. Sie müssen mit dem Trauma fertig werden und sich neu zurecht finden. Man sagt ja immer "die schöne neue Welt", übersieht aber gerne die Schattenseiten.
LG Heike

liebe Heike
vielen Dank für Dein Lob.
Genau wie Du sehe ich es auch. Diese Menschen haben nicht nur ihre materiellen Güter verloren. Sie haben auch "ihre Heimat", "ihren Glauben", "ihre Bilder einer unzerstörten Kindheit" verloren. Und man hat ihren Stolz, ihre Würde, ihre Selbstachtung gebrochen.
Ein Vater, der nicht verhindern konnte das seine Tochter erst vergewaltigt, dann ermordet wurde hat soviel Scham gegenüber seiner Familie. Er sagte mir: "tiefer kann ich nicht fallen". Ich bettel für die am Leben gebliebenen Kinder um einen Platz in Frieden. Für mich selbst wird es nie mals mehr und nirgendwo Frieden geben." Ich wußte was er meint, ich kannte seine Geschichte.
Je mehr sie ins Licht gehen und zur Ruhe kommen, je schlimmer wird oft ihre innere Qual. Wir als Ehrenamtler können manches Leid heilen, vieles aber wird bei diesen Menschen ein Leid bis zum Tod bleiben.
Liebe Grüße zu Dir
Ilona

danke Thomas fürs Einstellen des Sonetts.
Auch ich finde die deutsche Übersetzung nicht besonders gut.
Aber interessant ist auch, das Sonett entstand unter dem Eindruck der Schriftstellerin bei der Hilfe für Flüchtlinge, die vor antisemitischen Pogromen in Osteuropa geflohen waren. Diese Flüchtlinge waren gezwungen, in Verhältnissen zu leben, welche die wohlhabende Lazarus nie erlebt hatte. Sie sah eine Möglichkeit, ihr Mitgefühl für die Flüchtlinge mit der Statue in Verbindung zu bringen. Daraus resultierte das Sonett The New Colossus, inklusive der symbolhaften Zeilen “Give me your tired, your poor/Your huddled masses yearning to breathe free” (deutsch: „Gebt mir eure Müden, eure Armen/Eure geknechteten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen“).
Diese Frau sollte Spenden durch den Verkauf ihrer Manuskripte einwerben für den Bau einer Statue. Sie lehnte zuerst ab. Das Geld (Spenden) waren ihr wichtiger um das Leid der Flüchtlinge zu mildern.
Emma Lazarus war eine sehr angagierte Frau.

herzlich Ilona

Liebe Ilona,

Vielen Dank für dieses sehr zu Herzen gehende Gedicht und weitere Informationen zu dem Thema. Es ist unendlich tragisch, was Flucht nicht nur für die unmittelbar betroffene Generation , sondern auch für die Nachkömmlinge und deren Nachkömmlinge bedeutet. Darüber kann gar nicht genug geschrieben und gesprochen werden.

Alles Liebe!

anna a.

lieber Thomas
liebe Anna

ein anstrengendes Wochenende liegt hinter mir. 4000 Kartons auf 4 LKWs sind nach Erbil (Nordirak) unterwegs in Flüchtlingslager.
Diese Menschen sehen weder das goldene Tor noch ein hochgehaltenes Licht. Wir schicken ihnen leider nur ein Zündholz.
Aber irgend etwas muß man doch tun.
Danke für eure lieben Komentare.
Liebe Grüße
Ilona

Liebe Ilona,
egal, ob Einreisende Miss Liberty oder das Brandenburger Tor zuerst sehen, sie leiden hier wie dort am Verlust ihrer Heimat.
Das Sonett am Sockel der Freiheitsstatue hat zu erheblichen Diskussionen geführt. Frau Lazarus, eine Jüdin, wäre niemals derart spendabel gewesen, hätte es sich um Katholiken oder Protestanten, schon gar nicht um Moslems! gehandelt - die Geschichte lehrt uns anderes.
Dein Gedicht zeichnet überdeutlich die Misere nach, die Menschen erleben müssen - mir hats Gänsehaut gebracht.
Es klingt sehr, sehr schön und erst als ich am Ende war erkannte ich, dass du ganz auf Reime verzichtet hast.
Mit herzlichen Abendgrüßen,
Heliane.

liebe Heliane
vielen, vielen Dank für Dein großes Lob.
Als ich diesen Text schrieb, schrieb ich ihn auch im Bewußtsein um den Verlust meiner Heimat. Natürlich kann ich es nicht vergleichen mit dem was die Menschen, heute und zu anderen Zeiten an Heimat verloren haben. Allein die Heimatsprache als Mittel der Verständigung zu verlieren ist sicher ein riesiger Verlust.

herzlich Ilona

Liebe Ilona,
das Gedicht liegt sehr schwer auf dem Herzen, wenn man es wirklich an sich heran lässt.
Ich persönlich versuche immer in einer neuen Situation auch etwas Gutes zu sehen.
Immerhin sind die Protagonisten ja davongekommen und können sich mit Glück ein neues Leben aufbauen
Da gilt es nach vorne zu schauen, alles andere macht krank.
Die Heimat bleibt jedoch immer im Herzen, aber manchmal sind die Erinnerungen auch sehr niederdrückend.
Liebe Grüße, Heidi

liebe Heidi
macher Text, manches Gedicht befreit erst die Seele, wenn es auf dem Papier steht.
Im übrigen glaube ich nicht, dass die Protagonisten davon gekommen sind. Sie müssen mit ihrem Schicksal leben. Die Kinder, die im Bombenhagel ihre Eltern verloren, oder nur zusehen mußten wie Menschen in Häusern verbrannten. Ich denke da immer an meine Mutter. Sie sagte:" mein Glaube ist mit der Gustlov versunken". Sie war 13 Jahre, hat den Anblick nie ganz verdrängen können.

herzlich Ilona