Sperrgebiet

Man sagte ihr, sie wäre schwer erkrankt,
ein Tumor würde bald ihr Leben enden,
da spürte sie das Kind und sie gebahr!
Gebar allein, gebar in Tschernobyl,
dort in geperrter Zone, was verboten!
Ein Kind in Tschernobyl, kein Recht zu leben?
Man wollte es ihr nehmen, sah Skandale,
doch`s Kindlein ward gesund und war ihr Glück.
So widerstand sie mutig den Behörden.
Irina blieb, sonst gab es keine Kinder
und in der Schule draußen wurde sie die Beste.
Ein Kind vom Sperrgebiet! Kein Recht zu leben?

Liebe Heidi,

ein Tschernobyl-Schicksal, wie es sehr wahrscheinlich geschehen sein könnte, hast Du uns sehr gut dargestellt. Sicher gibt es in diesem Zusammenhang noch sehr viele Schicksale, die oft gezwungen werden sich dem allgemeinen Interesse unterzuordnen. Die Gefahr ist dieser Katastrophe ist noch lange nicht vorbei. Genau wie auch in Fukushima. Dies sollte uns eine Mahnung sein und zu der Erkenntnis führen, dass der Atomstrom auf lange Sicht zu gefährlich und zu teuer ist. Ein gutes Gedicht mit wertvoller Aussage.

LG Hans

Liebe Heidi,
Inhaltlich zeigst Du hier, vielleicht ohne es gewollt zu haben, dass es eigentlich kein Recht auf Leben gibt. Leben ereignet sich, entweder lebt jemand oder etwas oder eben nicht. Entscheiden zu wollen, ob es ein Recht auf Leben gibt oder nicht ist anmaßend. Leben ist ein Wunder!
Sprachlich sehe ich zwei Probleme: das "wäre" wäre richtig, wenn sie nicht krank wäre. So muss es m.E. durch "sei" ersetzt werden. Dann weiß ich nicht, wie Tschernobyl korrekt im Deutschen betont werden muss. Ich kenne umgangssprachlich drei Variantenreich!
Ein Thema, das nach so langer Zeit aktueller denn je ist und sein wird!

Liebe Grüße aus Lüli
Karlheinz

liebe Heidi

ich habe Gänsehaut bekommen beim Lesen und bin überzeugt, es ist eine wahre Geschichte. Wahrheit ist oft so brutal wie Du sie hier geschildert hast.
Und wenn ich mich in meinem Gedicht frage, wozu sind Dichter da? Genau dafür, liebe Heidi.

Deine Wortwiederholungen vertiefen ganz exakt dieses Drama. Ich habe von ähnlichen Geschichten dort gehört.
Ein Gedicht, dass unter die Haut geht und mich bestimmt nicht so schnell los lässt.
Dadurch, dass Du Namen verwendest wird es ein konkretes Schicksal und rührt den Leser besonders.
Ich bin gerührt und verneige mich vor dieser Leistung.

herzlich Ilona

Liebe Heidi,
ich las den ZEIT-Artikel und dachte, verzeih mir bitte, ähnlich wie Karlheinz. Ein RECHT auf Leben gibt es nicht, ein UNRECHT ganz sicher auch nicht (mehr!). Ein Einzelschicksal kann davon nicht ablenken, so schrecklich es auch immer sein mag.
Noch heute werden in Hiroshima und Nagasaki missgebildete Kinder geboren oder auch solche, die später unheilbare Krankheiten entwickeln. Die Bombardierung geschah 1945, damals gab es nicht mal ein Sperrgebiet.
Ob dieses Tschernobyl-Kind oder die Fukushima-Kinder eine dauerhafte Chance haben, bezweifele ich.
Ich habe dein Gedicht nicht gerne gelesen, denn es macht wütend, empfinde es jedoch für sehr gelungen und wichtig.
Ganz liebe Grüße,
Heliane.

Liebe Freunde der Dichtung,

ich will hier mal gesamt antworten um zu erzählen warum ich dieses Thema gewählt habe.
Heliane hat es erkannt, das Thema bezieht sich auf einen Artikel in der „Zeit“ Donnerstag, letzte Woche.
Hier wird das Schicksal einer Frau beschrieben, die seit einiger Zeit in Tschernobyl in der Sperrzone arbeitete, (wohl weil sie sonst keinen Job bekam/ wer geht schon freiwillig dahin) keine Kinder hatte und 46 Jahre alt war. Die bekam halt Beschwerden und die Ärzte wollten ihr einen angeblichen Tumor im Unterbauch wegoperieren, als sie plötzlich Kindsbewegungen spürte.
Sie bekam das Kind heimlich, ihr Mann war dabei. Sie musste aber schließlich doch zur Behörde um es anzumelden. Die Ärzte bescheinigten dem Kind, dass es gesund war. Daraufhin wurde sie dazu gedrängt wegzuziehen, aber offensichtlich fand sie sonst keinen Broterwerb, also blieb sie.
Der Arbeitgeber schickte sie eines Tages in eine andere Stadt um ihr Kind da zu melden, als sie wiederkam hatte sich der betrunkene Ehemann das Kind stehlen lassen.
Das Kind wurde in ein anderes Dorf gebracht und dort hatte man es in einer Hütte abgelegt, vermutlich wollte man es sterben lassen, denk ich.
Die Mutter machte sich daraufhin auf, suchte ihr Kind und fand es ausgekühlt und fiebrig. Dann schmuggelte sie es wieder in die Sperrzone. Daraufhin wollte der Staatsanwalt ihr das Sorgerecht nehmen, aber die Frau gab nicht auf und durfte es schließlich behalten. Irina (der Name ist nicht der echte) war das einzige Kind im Sperrgebiet und es gab an Spielfreunden nur Erwachsene und Tiere,
Als sie schließlich zur Schule gehen musste wurde ihr die Sonderschule verordnet , aber auch da setze sich die Mutter durch und sie kam auf eine normale Schule. Dort wurde sie als „Glühwürmchen“ gehänselt, schloss aber später die Schule als Klassenbeste ab. Irina ist jetzt 16 Jahre alt, ganz gesund und macht in Kiew die Wirtschaftsschule. Am Wochenende fährt sie nach Tschernobyl und besucht da ihre Mutter.
Ich bewundere dies Frau, die in einem Alter ein Kind bekommen hat, an das nicht mehr zu denken war, ich bewundere sie wegen ihrer übermenschlichen Kraft sich durchzusetzen und ihr Kind am Leben zu erhalten und zu fördern. Irina konnte schon lange vor ihrer Einschulung lesen und sie las viel.
Wer will einem Menschen das Recht abstreiten zu leben? Das darf kein Staat, keine Gesellschaft, keine Ideologie und doch wird es tausendfach und aus den unterschiedlichsten Gründen und in unterschiedlichen Lebensaltern gemacht.
Auch hier werden viele Kinder nicht geboren und das Ergebnis sehen wir in der Überalterung der Gesellschaft mit allen möglichen Folgen. Wir sind eine egoistische Gesellschaft geworden, die ängstlich ist, dass ihr etwas weggenommen wird.
Ich möchte dieser Frau in Tschernobyl, die ein Wunder ermöglicht hat, gerne ein Denkmal errichten, sie hat es verdient.
Ich danke Euch allen für Eure konstruktiven, anteilnehmenden, und kritischen Gedanken zu diesem Thema.

Ganz liebe Grüße an Euch alle,
Heidi